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Humane Affenpocken: Ähnlich, aber anders

Lesezeit: 3 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung

Eine Infektion mit Affenpockenviren ähnelt zwar klinisch einer Pockeninfektion, die jedoch leichter übertragbar und häufiger tödlich war. Den letzten Fall von natürlich erworbenen Pocken gab es 1977. Während Affenpockenfälle vor allem im tropischen Regenwald von Zentral- und Westafrika aufgetreten sind, wurden in der letzten Zeit mehr als 780 Fälle von Affenpocken in 27 überwiegend westlichen Ländern registriert. 

Bei Affenpocken (Monkeypox) handelt es sich um eine virale Zoonose, die ähnliche Symptome zeigt, wie sie früher bei Pockenpatienten aufgetreten sind – klinisch allerdings weniger schwerwiegend. Das Affenpocken-Virus ist ein umhülltes doppelsträngiges DNA-Virus, das zur Gattung Orthopoxvirus der Familie Poxviridae gehört. Tierische Wirte sind zahlreiche Nagetiere (Hörnchen und Ratten) sowie nichtmenschliche Primaten.

Affenpocken beim Menschen wurden erstmals im Jahr 1970 in der Demokratischen Republik Kongo bei einem neunjährigen Jungen festgestellt – in einer Region im Kongo, in der die Pocken 1968 als eliminiert galten. Mittlerweile wurden Affenpockenfälle beim Menschen in elf afrikanischen Ländern gemeldet: Benin, Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Demokratische Republik Kongo, Gabun, Elfenbeinküste, Liberia, Nigeria, Republik Kongo, Sierra Leone und Südsudan. Seit 2017 wird in Nigeria ein großer Affenpockenausbruch mit mehr als 500 Verdachtsfällen, mehr als 200 bestätigten Fällen sowie einer Sterblichkeitsrate von rund drei Prozent registriert.

Im Jahr 2003 gab es den ersten Affenpocken-Ausbruch außerhalb von Afrika in den USA; er wurde mit dem Kontakt mit infizierten Präriehunden in Verbindung gebracht, die zusammen mit gambischen Beutelratten und Siebenschläfern untergebracht waren, nachdem sie aus Ghana importiert worden waren. Fälle von Affenpocken wurden in den vergangenen Jahren immer wieder gemeldet – etwa 2018 bei Reisenden von Nigeria nach Israel, nach Singapur im Mai 2019, nach Großbritannien im Mai 2021, in die USA im November 2021.

Die Übertragung von Tier zu Mensch erfolgt durch direkten Kontakt mit Blut und Körperflüssigkeiten sowie über Haut- und Schleimhautläsionen von infizierten Tieren. Das natürliche Reservoir von Affenpocken konnte noch nicht identifiziert werden; am wahrscheinlichsten handelt es sich um Nagetiere. Ein möglicher Risikofaktor ist der Verzehr von unzureichend gekochtem Fleisch und anderen tierischen Produkten von infizierten Tieren. Die Übertragung von Mensch zu Mensch ist möglich durch engen Kontakt mit Atemwegssekreten, Hautläsionen einer infizierten Person oder mit kürzlich kontaminierten Gegenständen. Bei der Übertragung durch Tröpfcheninfektion ist üblicherweise ein längerer persönlicher Kontakt erforderlich. Ebenso ist eine Übertragung von der Mutter auf den Fötus via Plazenta möglich sowie auch während und nach der Geburt.

 

Klinik und Diagnose

Die Inkubationszeit beträgt normalerweise zwischen fünf und 21 Tage (meist zehn bis 14 Tage). Die Infektion selbst verläuft in zwei Phasen:

1) Präeruptives Stadium: plötzlich einsetzendes hohes Fieber (am zweiten Tag: 38,5 bis 40,5°C) mit starken Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Halsschmerzen, Husten und Unwohlsein, zum Teil Durchfall. Häufig treten Lymphknotenschwellungen (zervikal, inguinal) vor Beginn des Exanthems auf. Differentialdiagnosen in diesem Stadium: Grippe, Typhus abdominalis, Leptospirose, virales hämorrhagisches Fieber.

2) Eruptives (exanthematisches) Stadium: Die Erkrankung beginnt typischerweise am ersten Tag mit dem Enanthem (Oropharynx) und Exanthem im Gesicht, an den Händen, Unterarmen mit zentripetaler Ausbreitung über den Körper mit Rötung und pockentypischen uniformen Effloreszenz-Stadien (Makula, Bläschen, Pusteln und Krusten) – innerhalb weniger Tage bei rund 80 Prozent der Betroffenen. In 20 Prozent polymorphes Exanthem ähnlich wie bei Varizellen. In der Regel biphasischer Fieberverlauf mit einem ersten Gipfel in den ersten drei bis vier Krankheitstagen, Abfall auf unter 38 °C und Wiederanstieg am 5./6. Tag. Bei nicht Geimpften kommt es häufig zu Ulzerationen der Mundschleimhaut mit Pharyngitis, Tonsillitis, Konjunktivitis, Lidödem sowie sehr schmerzhaften Läsionen im Genitalbereich. Das klinische Labor ist wenig aussagekräftig. Differentialdiagnosen in diesem Stadium: Windpocken, Herpes zoster, Scharlach, Masern.

Verdachtsfall

Ein Verdachtsfall liegt bei einem Patienten mit rasch einsetzendem Fieber vor, wenn sich dieser fünf bis 21 Tage vor Krankheitsbeginn

  • in einem Endemiegebiet aufgehalten hat (afrikanischer Regenwald) oder

  • mit einem an humanen Affenpocken Erkrankten Kontakt hatte oder
  • mit Affen oder anderen Tierarten als mögliche Infektionsquelle Kontakt hatte oder
  • in einem Laboratorium beziehungsweise in einer anderen Einrichtung hinsichtlich humanen Affenpocken verdächtigen Aerosolen (auch aus Tierkadavern aus Endemiegebieten) ausgesetzt war und ein bis drei Tage nach Fieberbeginn ein zunächst makulöses, dann pustulöses Exanthem mit generalisierter Lymphadenopathie entwickelt hat. Affenpocken sind eine meldepflichtige Erkrankung: Verdachtsfall, Erkrankungs- und Todesfall sind meldepflichtig.

Das klinische Erscheinungsbild von Affenpocken ähnelt dem von Pocken, einer verwandten Orthopoxvirus-Infektion. Pocken waren leichter übertragbar und häufiger tödlich: 30 Prozent der Betroffenen starben. Der letzte Fall von natürlich erworbenen Pocken trat 1977 auf. 1980 wurden die Pocken nach einer weltweiten Impfkampagne als ausgerottet erklärt und die routinemäßige Pockenimpfung eingestellt.

Therapie mit Tecovirimat

Das antivirale Mittel Tecovirimat, das für Pocken entwickelt wurde, wurde 2022 von der Europäischen Arzneimittelagenur (EMA) für Affenpocken auf der Basis von Daten aus Tier- und Humanstudien zugelassen. Es ist noch nicht flächendeckend verfügbar. In mehreren Beobachtungsstudien konnte gezeigt werden, dass die Impfung gegen Pocken bei der Vorbeugung von Affenpocken zu etwa 85 Prozent wirksam ist. Die Pocken-Impfstoffe der ersten Generation sind gegenwärtig für die breite Öffentlichkeit nicht mehr erhältlich. Ein neuerer Impfstoff auf Basis eines modifizierten attenuierten Vacciniavirus (Ankara-Stamm) wurde 2019 zur Vorbeugung von Affenpocken zugelassen. Dabei handelt es sich um einen Zweidosen-Impfstoff, der nur begrenzt zur Verfügung steht. Laut den US-amerikanischen Centers for Disease Control (CDC) sind (Stand: 7. Juni 2022) mehr als 780 Affenpockenfälle in 27 überwiegend westlichen Ländern bekannt. Weiterhin seien – so die WHO – hauptsächlich Männer betroffen, die Sex mit Männern haben. Todesfälle habe es bislang nicht gegeben. (AM)


Auf einen Blick

  • Affenpocken sind eine virale Zoonose, die hauptsächlich in tropischen Regenwaldgebieten von Zentral- und Westafrika auftritt.  Die Übertragung erfolgt durch engen Kontakt mit einer infizierten Person oder einem infizierten Tier. 
  • Affenpocken treten typischerweise klinisch mit hohem Fieber, Hautausschlag und geschwollenen Lymphknoten auf. Affenpocken ähneln dem klinischen Bild von Pocken; sind allerdings weniger ansteckend.
  • Die Erkrankung verläuft normalerweise als selbstlimitierende Krankheit; die Symptome können zwei bis vier Wochen anhalten. Impfstoffe, die während des Pockenausrottungsprogramms verwendet wurden, bieten auch Schutz gegen Affenpocken. Ein neu entwickelter Impfstoff wurde für die Vorbeugung von Affenpocken zugelassen.
  • Ein für die Behandlung von Pocken entwickeltes antivirales Mittel wurde auch für die Behandlung von Affenpocken zugelassen.
  • Das klinische Erscheinungsbild von Affenpocken ähnelt dem von Pocken, die 1980 weltweit für ausgerottet erklärt wurden. Affenpocken sind weniger ansteckend als Pocken und verursachen weniger schwere Krankheiten.
  • Der Verdachtsfall, Erkrankungs- und Todesfall sind meldepflichtig.

Bildquellen & Copyright

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 /10.06.2022
Pixabay #4835301| Urheber: maffiemaffie


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