Medizin & Wissenschaft

Xerosis cutis: Chronisch entfettet

Lesezeit: 2 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung

Jeder dritte Berufstätige und fast jeder Pflegebedürftige über 80 Jahren leidet an Xerosis cutis. Beeinflussbare Ursachen sind zu häufiges Händewaschen und zu langes Baden mit Produkten, die die Haut chronisch entfetten. Die Basistherapie besteht aus der Kombination von hydrophilen und lipophilen Therapeutika.

von Manuela‑C. Warscher

Etwa 80 Prozent aller Menschen haben von Natur aus eine recht belastbare Haut. Allerdings leidet jedes fünfte Kind und jeder zehnte Erwachsene an einer Atopie. Ihre Haut wird schneller rot oder juckt“, so Univ. Prof. Werner Aberer von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie der Medizinischen Universität Graz. Diese würden aufgrund ihrer „vermindert belastbaren Haut“ auf Reize von außen wie Umweltfaktoren oder berufliche Faktoren wesentlich stärker reagieren. So kommt es, dass heute jeder dritte Berufstätige zwischen 16 und 70 Jahren unter Xerosis cutis leidet. Andererseits wird die Haut mit zunehmendem Alter durch die hormonelle Umstellung weniger belastbar und führt bei jedem zweiten über 75-Jährigen und bei – fast jedem – Pflegebedürftigen (99,1 Prozent) über 80 Jahren aufgrund des Flüssigkeitsmangels zu trockene Haut.

Xerosis cutis ist mittlerweile eine der häufigsten dermatologischen Diagnosen und Leitsymptom von vielen dermatologischen, internistischen und neurologischen Indikationen. Dennoch sei dieses Krankheitsbild auch weiterhin „unterrepräsentiert“, so Urban Cerpes von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie der Medizinischen Universität Graz. Gesunde Haut kann zwischen zehn und 20 Prozent Wasser speichern. Sowohl ein zu hoher („aufgequollene“ Waschfrauenhände) als auch ein zu geringer Wassergehalt kann ihre Barrierefunktion pathologisch verändern. In Kombination mit dem Mangel an Feuchthaltefaktoren begünstigt dies die verminderte Hauthydratation. Die Betroffenen klagen über ein subjektives Spannungsgefühl und Pruritus. Objektive Symptome sind trockene, schuppende, raue und glanzlose – etwas gräuliche – Haut mit Fissuren und mangelnder Elastizität.

Überhandnehmen der körperlichen Hygiene

Primäre „beeinflussbare“ Ursache der Xerosis cutis sei ein Überhandnehmen der körperlichen Hygiene und das damit verbundene „chronische Entfetten“, wie die beiden Experten einhellig betonen. Denn: „Die Generation der 1920er-Jahre hat sich einmal in der Woche gewaschen. Heute gilt man als schmutzig, wenn man sich nicht täglich duscht. Allerdings lösen die Tenside, die dafür verwendet werden, die Hautfette. Damit ist der natürliche Schutz der Haut weg und das Wasser kann in die Haut eindringen“, erläutert Aberer. Und Cerpes ergänzt: „Langes Baden in zu heißem Wasser ist so, als ob man mit einem warmen Messer Butter schneidet.“ So seien auch diverse Trends wie Basenbaden aufgrund ihrer lipidschädigenden Wirkung „kontraproduktiv“, betont Cerpes. Neben dem Waschverhalten begünstigen auch Umweltfaktoren wie Kälte, niedrige Luftfeuchtigkeit oder starke Sonnenexposition sowie Feuchtarbeit oder Kontakt mit hautschädigenden Berufsstoffen beispielsweise im Friseur- oder Baugewerbe die Entstehung von Xerosis cutis. „Bestimmte Arzneimittel wie Retionide, Glukokortikoide, Diuretika oder Betablocker gehen ebenfalls häufig mit Xerosis cutis einher“, ergänzt Cerpes.

Der „allererste und wichtigste“ Punkt, der im Zuge der Anamnese abgeklärt werden müsse, seien die Duschhäufigkeit und die Produktwahl, sagt Aberer. „Denn Rötung und Schuppung sind flexible Begriffe.“ Die weitere Diagnostik orientiert sich am ABCDE-Schema (siehe Kasten). Bei der Anamnese werden neben dem Wasch- und Pflegeverhalten auch die B‑Symptomatik beziehungsweise eine allfällige Medikation erhoben; ebenso auch der objektivierbare Hautbefund wie Schuppung oder Rötung und die subjektive Symptomatik (Brennen, Jucken etc.). Hinsichtlich der Dauer gelten als Richtwerte für einen akuten Verlauf weniger als sechs Wochen; bei einem Verlauf von mehr als sechs Wochen spricht man von einem chronischen Verlauf. Personen, die im Pflegeberuf tätig sind, empfiehlt der Experte die intensivere Anwendung von rückfettenden Desinfektionsmitteln anstelle von zu häufigem Händewaschen. Und weiter: „Wenn die Hände gewaschen werden, ist es wichtig, mit dem Desinfizieren zu warten, bis die Haut getrocknet ist.“ Spezielle Messmethoden wie jene des transepidermalen Wasserverlustes (TEWL) mittels Tewametrie und Messung der Hydratation mittels Croneometrie objektivieren die klinische Diagnose Xerosis cutis.

Ziel der Basistherapie bei Xerosis cutis und den damit einhergehenden dermatologischen Erkrankungen (Neurodermitis, Ichthyosis) ist es, die Hydratation der Haut zu beeinflussen, den Lipidmangel auszugleichen und die Barrierefunktion zu verbessern. Diese kann auch bei internistischen Indikationen wie Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus oder Hypothyreose, die häufig von Xerosis cutis begleitet werden, erfolgen, so Cerpes.

„Am besten eignet sich dafür eine Kombination aus hydrophilen und lipophilen Therapeutika“, berichtet der Experte aus der Praxis. Die Fettkonzentration der Creme sollte dabei dem Trockenheitsgrad der Haut angepasst werden. „Salben mit einem zu hohen Fettgehalt oder Naturöle wie Olivenöl sind aber kontraproduktiv, weil sie die Hautbarriere weiter verschlechtern“, betont Cerpes. Eine Öl-in-Wasser-Lösung sei daher empfehlenswert. In akut entzündlichen Stadien sollten vorzugsweise Kosmetika mit einem höheren Wassergehalt eingesetzt werden. „Mittlerweile gibt es für jeden Hauttyp das perfekte Produkt“, so Aberer. Dennoch zeigen Erhebungen, dass die Compliance weiterhin bei lediglich 40 bis 60 Prozent liegt. Umso wichtiger sei es daher, bei der Wahl der Kosmetika auf die Präferenzen der Patienten zu achten, da beispielsweise als unangenehm empfundene Duftnoten oder eine schlecht verteilbare Galenik den Therapieerfolg negativ beeinflussen kann. Vor allem bei Männern, die „nicht daran gewöhnt sind, rückfettende Produkte anzuwenden, müsse ein besonderes Augenmerk auf die Therapietreue gelegt werden“, betont Aberer.

 


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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 /25.06.2022
Adobe Stock #137327355| Urheber: Ольга Тернавская

 


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