Medizin & Wissenschaft

Nicht-alkoholische Fettleber: Heterogene Erkrankung

Lesezeit: 3 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung

Ein Viertel der Bevölkerung leidet an einer nicht-alkoholischen Fettleber (NAFLD), sieben bis 30 Prozent der Betroffenen weisen eine nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) auf. Die Umbenennung von NAFLD in MAFLD – Metabolic Associated Fatty Liver Disease – unterstreicht die Heterogenität dieser Stoffwechselerkrankung. 

 

von Manuela C. Warscher

 

Der Steatose liegt kein signifikanter Alkoholkonsum zugrunde, vielmehr ist sie mit Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Insulinresistenz und Hyperlipidämie assoziiert. Außerdem scheint es ein hohes familiäres Risiko zu geben. Tatsächlich konnte in rezenten Zwillingsstudien gezeigt werden, dass sowohl die Fettablagerung in der Leber als auch die Fibrose vererbbare Merkmale sind; ebenso lassen Studiendaten auf eine familiäre Häufung der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (Non-Alcoholic Fatty Liver Disease, NAFLD) und Zirrhose schließen. Das Risiko für eine höhergradige Fibrose bei Verwandten ersten Grades mit Zirrhose liegt bei 18 Prozent und ist damit signifikant höher als jenes in der Allgemeinbevölkerung. Auch mütterliche präkonzeptionelle Adipositas und kindliche Ernährung erhöhen das Risiko für eine Fettleber. Ein normaler BMI und mehr als sechsmonatiges Stillen reduzieren – Studien zufolge – das Risiko für eine NAFLD der Mutter im mittleren Alter und für das Kind in der Adoleszenz.

 

Konkretisierte Bezeichnung: MAFLD 

Um die Diagnose, die Identifikation neuer Subtypen und den Einschluss von Patienten in klinische Prüfungen zu erleichtern, wurde im Jahr 2020 eine Änderung der Bezeichnung vorgeschlagen: von Non-Alcoholic auf Metabolic Associated Fatty Liver Disease (MAFLD). Damit soll vor allem der Heterogenität dieses Krankheitsbildes entsprochen werden, das „nicht als singuläre Erkrankung mit einem „One size fits all“-Ansatz therapiert werden kann“, fasst Univ. Prof. Vanessa Stadlbauer-Köllner von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der Medizinischen Universität Graz die Expertenüberlegungen zusammen. Und weiter: „Der Vorteil dieses neuen Terminus ist, dass der Name bereits die primäre Ursache in sich trägt: Stoffwechselerkrankung.“ Dennoch: Trotz des gemeinsamen Bestrebens, von der negativen und irreführenden Bezeichnung „nicht-alkoholisch“ wegzukommen, sei die neue Bezeichnung unter Hepatologen noch nicht allgemein akzeptiert, dies auch hinsichtlich der nicht seltenen Überlappung mit Alkohol als zweitem Risikofaktor, der die Prognose der Erkrankung wesentlich verschlechtert, gibt Univ. Prof. Rudolf Stauber von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der Medizinischen Universität Graz zu bedenken. 

 

Von der NASH zur Zirrhose 

Ungefähr 40 Prozent der Patienten mit NASH entwickeln eine progressive Leberfibrose, die bei bis zu 20 Prozent zu einer Zirrhose führt. Das Vorliegen einer höhergradigen Fibrose/Zirrhose (Fibrosestadium F3 bis F4) ist ein wesentlicher prognostischer Faktor für eine leberbezogene Mortalität. In erster Linie lässt sich NASH nur histologisch mittels Leberbiopsie diagnostizieren. Allerdings ermöglichen „nicht invasive Methoden wie der FibroScan® oder der ELF®-Test eine zuverlässige Abschätzung des Fibrosestadiums“, betont Stauber. Im Gegensatz zu diesen bislang noch nicht flächendeckend verfügbaren Diagnosemethoden könne mithilfe des Fibrosis4-Index (FIB4) anhand der vier „Routineparameter“ (Stauber) Alter, AST (Aspartat-Aminotransferase), ALT (Alanin-Aminotransferase) und Thrombozytenzahl in der niedergelassenen Praxis der Risikoscore ermittelt werden. „Liegt dabei der FIB4 bei kleiner 1,30, kann eine höhergradige Leberfibrose zuverlässig ausgeschlossen werden – negativ prädiktiver Wert 90 Prozent anhand internationaler und eigener Daten“, so Stauber. Umgekehrt habe ein FIB4 größer gleich 2,67 einen relativ hohen Vorhersagewert für höhergradige Fibrose beziehungsweise Zirrhose. Bei Werten in der Grauzone (1,30 bis 2,67) empfiehlt sich eine weitere nichtinvasive Risikostratifizierung mittels Ultraschallelastografie (FibroScan), die österreichweit in Leberzentren zur Verfügung steht. 

 

Beide Experten betonen, dass „weiterhin keine zugelassene medikamentöse Therapie“ für die Behandlung der Fettleber verfügbar sei. Auch gebe es keine Empfehlung für Pioglitazon oder Vitamin E, die sich „auch nicht als besonders effektiv erwiesen haben“, unterstreicht Stauber. Allerdings laufen derzeit drei klinische Studien in Graz, unter anderem mit dem Glucagon-like-Peptide(GLP)-1-Rezeptoragonisten Semaglutid, der ursprünglich für die Behandlung von Typ-2Diabetes entwickelt wurde, da er den HbA1c verbessert. GLP-1-Rezeptoragonisten haben außerdem aufgrund des verstärkten Sättigungsgefühls und der verlangsamten Magenentleerung eine markante Gewichtsreduktion zur Folge, was sich auf die Prognose von NALFD auswirke. Stadlbauer-Köllner dazu: „Ich erhoffe mir, dass diese Kandidaten auch die Phase III erfolgreich meistern. Auch Graz nimmt an diesen multizentrischen Studien teil, doch eine mögliche Zulassung ist nicht vor in fünf Jahren zu erwarten“. Ganz allgemein bedauert die Expertin die hohe Zahl der Personen, die eine Studienteilnahme wegen der zumindest zwei notwendigen Leberbiopsien ablehnen. Mittelfristig müsse die Forschung auch über modifizierte Studiendesigns nachdenken. „Die Forschung muss noch einiges ändern und beispielsweise stärker auf adaptive Trial-Designs zurückgreifen, um Studienprotokolle in Übereinstimmung mit laufenden Beobachtungen abzuändern“, bestätigt Stadlbauer-Köllner. 

 

Die fehlende Arzneimitteltherapie bedeute allerdings nicht, dass der Allgemeinmediziner nichts tun könne, so Stadlbauer-Köllner. Daher wäre auch die Umbenennung in MAFLD „enorm wichtig“, da sie das Screening von Stoffwechselfaktoren durch den niedergelassenen Allgemeinmediziner sozusagen hervorhebe. Neben einer umfassenden Lebensstilmodifikation und vor allem Gewichtsreduktion sollen die Kontrolle und Therapie des metabolischen Syndroms und allfälliger kardiovaskulärer Risikofaktoren weitergeführt werden. Dabei stellen Leberzirrhose beziehungsweise NASH keine Kontraindikationen für eine Statin-Therapie dar. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass Patienten mit NASH ein höheres Risiko für eine Statin-induzierte Hepatoxizität aufweisen“, erklärt Stadlbauer-Köllner. 

 

NAFLD: Diagnose und Therapie 

  • Basistherapie: Lebensstilmodifikation, mediterrane Diät 
  • Gewichtsreduktion um fünf bis zehn Prozent 
  • Management der kardiovaskulären Risikofaktoren 
  • Colon- und Mammakarzinom-Screening 
  • Überweisung von Risikopatienten in Leberambulanzen 
  • Bei Leberzirrhose halbjährliches Screening auf hepatozelluläres Karzinom (HCC) und Gastroskopie im Hinblick auf Varizen 

TIPP: Die medizinische Universität Graz bietet einen Online-Rechner für die Ermittlung des FIB-4-Scores an unter www.medunigraz.at/NAFLD  

 


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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 07 /10.04.2022

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