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Antihypertensiva im Blickpunkt: Diuretika bei hohem Blutdruck
Lesezeit: 5 Minuten Quelle: MEDMIX Online
Diuretika gibt es in verschiedenen Formen schon seit Jahrhunderten, seit langem setzt man vor allem Thiaziddiuretika zur Therapie von hohem Blutdruck ein.
Unter dem Strich sind Thiaziddiuretika die am häufigsten verschriebenen Diuretika gegen hohen Blutdruck. Aber auch andere Diuretika können nützlich sein. Einerseits sind Diuretika bei hohem Blutdruck nicht mehr die bevorzugten Mittel zur Therapie von Erwachsenen und Kindern. Andererseits gelten sie dennoch als erste Wahl-Medikamente. Denn Diuretika senken bei hohem Blutdruck effektiv den Blutdruck bei hypertensiven Patienten. Zudem senken sie bei Erwachsenen mit Hypertonie das Risiko für unerwünschte kardiovaskuläre Ergebnisse. Häufige Nebenwirkungen von Thiaziden sind meist dosisabhängig und umfassen Elektrolyt- und Stoffwechselstörungen.
Die blutdrucksenkende Wirkweise der Diuretika beruht auf einer Reduktion des Cardiac Output. Eine Verminderung des Plasma- und extrazellulären Volumens löst diese aus. Die Volumenreduktion wird durch Blockierung der Natriumrückresorption entlang einzelner Tubulus-Abschnitte und eine dadurch gesteigerte Natriurese erzielt. Zumindest bei Thiaziddiuretika unterstützt aber auch eine periphere Vasodilatation die Senkung von hohen Blutdruck.
Thiaziddiuretika
Thiaziddiuretika, Thiazide, gehörten in der Schulmedizin zu den ersten Diuretika-Substanzen, für die eine effektive Senkung des Blutdrucks nachgewiesen werden konnte. Sie inhibieren die Natrium- und Chlorid-Rückresorption im distalen Tubulus, in dem 5–8% des filtrierten Natriums resorbiert werden.
Primär wird durch Thiazide der Cardiac Output verringert. Bei Langzeitanwendung bleibt der Blutdruck trotz einer Normalisierung des Cardiac Output durch eine Verminderung des peripheren Widerstandes gesenkt. Diese sekundäre Vasodilatation wird wahrscheinlich durch eine Natrium- und Kalziumverminderung in den Zellen der glatten Gefäßmuskulatur bewirkt.
Thiazide, anfänglich in sehr hohen Dosierungen verordnet, werden heute in niedrigeren Dosierungen (z.B. 12,5mg bis 25mg Hydrochlorothiazid) eingesetzt, da sie als low ceiling Diuretika eine rasch abflachende Dosis-Wirkungskurve aufweisen. Bei gleicher Blutdrucksenkung ist bei niedrigen Dosierungen die Rate an Nebenwirkungen – beispielsweise Hypokaliämien und Hyperurikämien sowie Cholesterin- und Glucoseerhöhungen – deutlich reduziert. Zu den Vertretern der Thiazide gehören Hydrochlorothiazid, Xipamid, Indapamid und Chlorthalidon.
Niedrig dosierte First-Line-Thiaziddiuretika verringerten in einer rezenten Cochrane-Analyse alle Morbiditäts- und Mortalitätsergebnisse bei erwachsenen Blutdruck-Patienten mit mittelschwerer bis schwerer primärer Hypertonie. Wobei hochdosierte First-Line-Thiazide und -Betablocker den niedrig dosierten First-Line-Thiaziden unterlegen waren. First-Line-ACE-Hemmer und Kalziumkanalblocker waren ähnlich wirksam, die Studien waren aber von geringerer Qualität.
Indikationen für Thiaziddiuretika
Unter dem Strich gelten Thiaziddiuretika besonders bei älteren Patienten neben langwirksamen Kalziumantagonisten als Mittel der ersten Wahl gegen hohen Blutdruck. Wie alle Diuretika ist ihr Einsatz bei hypertensiven Patienten mit erhöhtem extrazellulären Volumen sinnvoll. Und bei Ödemen sowie bei Vorliegen einer Herzinsuffizienz vorteilhaft.
Kontraindikationen für Thiazide
Mit Ausnahme einer bekannten Allergie gibt es für Thiazide keine absoluten Kontraindikationen. Vorsicht ist allerdings bei Patienten mit metabolischen Störungen bzw. einer Gichtanamnese geboten. Wegen ihres Einflusses auf den Elektrolythaushalt sollte eine Diuretika-Therapie von laborchemischen Kontrollen begleitet sein. Thiaziddiuretika sind nur bei einer Kreatinin-Clearance von > 30ml/min wirksam. Deswegen sollten Ärzte sie bei einem Serumkreatinin von über 3mg/dl nicht mehr einsetzen.
Diuretika für andere Anwendungsgebiete
Schleifendiuretika
Schleifendiuretika werden primär zur Behandlung ödematöser Zustände verwendet. Sie eignen sich nicht zur Monotherapie der Hypertonie, können aber mit anderen Substanzen kombiniert werden. Durch Blockade der Natrium- und Chloridrückresorption im dicken aufsteigenden Teil der Henleschen Schleife (hier werden 25–40% des filtrierten Natriums reabsorbiert) bewirken Schleifendiuretika eine ausgeprägte Natriurese. Bei hypertensiven Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz finden sie einen breiten Einsatz, da hier eine gesteigerte Salzretention eine wichtige pathogenetische Rolle spielt.
Schleifendiuretika wie beispielsweise Furosemid müssen mehrmals täglich dosiert werden. Denn die verlängerten Dosierungsintervallen bewirken eine Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, die der Harn-Natrium-Ausscheidung entgegengewirkt. Schließlich kann das die blutdrucksenkende Wirkung des Diuretikums aufgehoben werden kann. Neuere langwirksame Schleifendiuretika, wie beispielsweise Torasemid, bieten hier therapeutische Vorteile.
Kaliumsparende Diuretika bei hohem Blutdruck
Kaliumsparende Diuretika wirken nur schwach natriuretisch. Denn der Körper scheidet nur 1 bis 2% des filtrierten Natriums mit ihrer Hilfe aus. Deswegen verschreiben sie Ärzte nur selten als antihypertensive Primär- beziehungsweise als Monotherapie. Ihre kaliumsparende Wirkung kann aber in einer Kombinationstherapie den Kaliumverlust anderer Diuretika (Thiazide oder Schleifendiuretika) vermindern.
Spironolacton als kompetitiver Hemmer der Aldosteron-Bindung an die Mineralokortikoid-Rezeptoren im Sammelrohr ist die Therapie der Wahl bei jenen Patienten, deren Hypertonie durch einen Hyperaldosteronismus hervorgerufen wird. Bei Patienten mit systolischer Dysfunktion und fortgeschrittener Herzinssuffizienz hat sich Spironolacton als Begleittherapie vorteilhaft in Hinblick auf Morbidität und Mortalität erwiesen.
Im Grunde genommen sind Diuretika nach einem Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz nicht bei allen Patienten geeignet, wie jüngste Daten vermuten lassen.
Literatur:
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Quellen:
Fokus Antihypertensiva: Diuretika gegen Bluthochdruck, MEDMIX 6/2007
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