Medizin & Wissenschaft
Transplantationen: Sorgfältige Auswahl
Lesezeit: 4 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung
Nach einem Pandemie-bedingten Rückgang der Organtransplantationen steigen die Zahlen wieder an. Dennoch kommt es nahezu bei jedem zweiten potentiellen Organspender dann doch nicht zur Entnahme: Meist ist die Organqualität nicht geeignet.
Peter Bernthaler
Bei rund 44 Prozent der gemeldeten potentiellen Organspender kommt es im weiteren Verlauf nicht zur Organentnahme“, weiß Univ. Prof. Gabriela Berlakovich, Leiterin der Klinischen Abteilung für Transplantation am AKH Wien. Meist sei die Organqualität für eine Transplantation nicht geeignet. Gründe dafür sind etwa, dass bei der Organentnahme ein bösartiger Tumor, der zuvor nicht bekannt war, entdeckt wird. Dass ein Widerspruch von Angehörigen vorliegt, komme zwar auch vor, jedoch „seltener“. Berlakovich weiter: „Wir wollen ja nicht möglichst viele Organe entnehmen, sondern möglichst viele Patienten erfolgreich versorgen“.
Laut dem Transplant-Jahresbericht 2022 wurden in Österreich an den Universitätskliniken in Wien, Innsbruck und Graz sowie im Ordensklinikum Linz insgesamt 688 Organtransplantationen durchgeführt, davon 631 mit Organen von toten Spendern und 57 Lebendspenden. In Österreich liegt die Zahl der Organspender bei 22,1 pro Million Einwohner. Die höchste Zahl weist Spanien mit 47 pro Million Einwohner auf. Dort beginnt die Informationsaktivität über eine mögliche Organspende sehr früh – und zwar schon in der Schule.
Weniger als ein Drittel der Bevölkerung in der EU ist darüber informiert, welche Regelung für Organspenden für ihr jeweiliges Land vorliegt. Für Österreich gilt die Widerspruchsregelung. Im von der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) in Zusammenarbeit mit der Vergiftungszentrale geführten Widerspruchsregister sind etwas mehr als 58.600 Personen (54 Prozent Frauen, 46 Prozent Männer; Stand: Ende 2022) gelistet. Erfolgt zu Lebzeiten kein Widerspruch gegen eine Organentnahme, ist eine solche möglich. „Berichten allerdings Angehörige über einen Widerspruch, den der Verstorbene in irgendeiner Form geäußert hat, wird das selbstverständlich berücksichtigt“, betont Berlakovich. In Deutschland hingegen ist die Organentnahme per Zustimmung und mittels Organspende-Ausweis geregelt.
Grundsätzlich erfolgen Organtransplantationen bei allen Organen interdisziplinär. Bei den Nieren-Lebendspenden zeigte sich in Österreich Pandemie-bedingt ein Rückgang; 2022 erstmals wieder ein Anstieg mit 55 Nierentransplantationen von Lebendspendern sowie 282 von toten Spenden. Glomerulonephritis, Pyelonephritis, interstitielle Fibrose und diabetische Nephropathie als Sekundärschädigung bei Diabetes mellitus zählen zu den häufigsten Gründen für eine Nierentransplantation. „Aber auch hypertensive Schrumpfnieren können bei Menschen mit einem hohen Blutdruck, der nicht ausreichend oder gar nicht behandelt wird, eine Ursache sein“, ergänzt Berlakovich. Im Durchschnitt dauert ein solcher Eingriff rund zwei Stunden. „Die häufigste Komplikation aus technischer Sicht ergibt sich am ehesten im harnableitenden System, wenn dort ein Leakage oder eine Engstelle entsteht, was in der Folge korrigiert werden muss.“ Was Berlakovich außerdem anmerkt: Dass die Niere – obwohl sie im Vergleich zu anderen Organen relativ klein ist – relativ viel Immunsuppression benötige.
Ganz anders hingegen die Situation bei der Leber: Obwohl es sich hier um ein vom Volumen her sehr großes Organ handle, sei es immuntolerant und „es benötigt die geringste Immunsuppression von allen Organen“, führt Berlakovich aus. Problematische Leaks kann es hier bei den Gallengängen geben. Aber auch Präservationsschäden sind möglich. Ursache dafür ist die Beeinträchtigung der Mikrozirkulation in den Gallengängen während der Entnahme oder auch bei einer unzureichenden Kühlung des Organs bis zur Transplantation. Diese negativen Folgeschäden an den Gallengängen machen sich jedoch erst drei bis sechs Monate nach einem Eingriff bemerkbar. Doch auch hier gibt es einen neuen Ansatz: Die Leber wird vor der Transplantation nicht mehr in einer Eisbox gelagert, sondern an eine Perfusionsmaschine angeschlossen. Berlakovich dazu: „Wir glauben, dass dadurch das Problem verringert wird.“
Lebertransplantation: häufig nach Zirrhose
Als „einzigartiges Organ“ bezeichnet Univ. Prof. Robert Sucher, Leiter der Klinischen Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Medizinischen Universität Graz, die Leber. Sie erfüllt mit Synthese, Stoffwechsel und Entgiftung drei fundamentale Aufgabenbereiche im menschlichen Organismus. Die häufigsten Indikationen für eine Lebertransplantation ist das Endstadium der chronischen Lebererkrankung, die Zirrhose. Die Leberzirrhose bildet in den meisten Fällen den Boden, auf dem sich ein hepatozelluläres Karzinom ausbildet. „Bei einem Großteil der Patienten ist das der Fall“, weiß Sucher aus der Praxis.
Bei der Beurteilung der Sinnhaftigkeit einer Lebertransplantation bei Zirrhose oder einem hepatozellulären Karzinom kommen die „Mailand-Kriterien“ zur Geltung. Diese werden, obwohl vor Jahrzehnten eingeführt, noch immer verwendet, wie Sucher ausführt: „Gewisse Patienten liegen außerhalb dieser Kriterien und weisen andere, spezielle Konditionen auf. Das ist der Grund dafür, wieso sie dennoch von einer Transplantation profitieren. Im Zuge der Weiterentwicklung der Mailand-Kriterien wurde nun auch der „Metroticket-Calculator“ entwickelt. Dabei werden nicht nur die Größe und Lokalisation des Tumors berücksichtigt, sondern auch dessen Biologie.
Ein Sonderfall ist etwa, wenn ein Patient eine besonders hohe Tumormasse und auch hohe Tumormarker aufweist. Den üblichen Kriterien zufolge käme er nicht auf eine Transplant-Liste. Erhält er jedoch vorab eine Tumor-spezifische Therapie, in Folge dessen sich der Tumor verkleinert und auch die Tumormarker zurückgehen, könne man auch „solch hoch selektionierte Patienten transplantieren, weil sie dadurch eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von 60 bis 80 Prozent haben“, berichtet Sucher.
Die Drei-Jahres-Überlebensrate nach einer Lebertransplantation beträgt rund 85 Prozent. Als kritisch gilt das erste Jahr, weiß Berlakovich: „Danach wird die Wahrscheinlichkeit für eine Komplikation mit jedem Jahr geringer.“ Wobei Sucher einschränkt, dass die Überlebensrate auch von der Grunderkrankung abhängt: „Ist eine Lebertransplantation wegen Krebs oder Zirrhose notwendig, ist die Überlebensrate signifikant niedriger“.
Dachorganisation Eurotransplant
In der Dachorganisation Eurotransplant haben sich Österreich, Deutschland, Belgien, Kroatien, Luxemburg, die Niederlande, Slowenien und Ungarn zusammengeschlossen. Alle potentiellen Organspender und Spenderorgane – auch bei Lebendspenden – müssen Eurotransplant gemeldet werden, von wo aus die Organe verteilt werden. www.eurotransplant.org/region/osterreich/
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