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Corona-Erkrankung Covid 19 schädigt die Blutgefäße

Lesezeit: 3 Minuten Quelle: MEDMIX Online

Eine Hauptursache für die sehr unterschiedlichen Manifestationen und Langzeitfolgen der Corona-Erkrankung Covid 19 ist eine primäre Schädigung der Blutgefäße.

Seit fast zwei Jahren hat die Covid-19-Pandemie die Welt fest im Griff. Mit weltweit über 236 Millionen Betroffenen und 4,8 Millionen Todesfällen stellt diese Erkrankung eine gewaltige medizinische, politische und humanitäre Herausforderung dar. Suggerierten Bilder von Menschen, die um Luft ringen oder auf Intensivstationen an Beatmungsgeräte angeschlossen sind, dass es sich bei der Corona-Erkrankung Covid 19 vor allem um eine Erkrankung der Atemwege handelt, wissen wir heute, dass eine Hauptursache für die mitunter sehr unterschiedlichen Manifestationen und Langzeitfolgen dieser Infektionskrankheit eine primäre Schädigung der Blutgefäße ist.

SARS-CoV-2 und Angiotensin-Converting Enzym 2 (ACE2)

Das SARS-CoV-2-Virus nutzt beim Menschen ein körpereigenes Enzym, das Angiotensin-Converting Enzym 2 (ACE2), um sein Eindringen in die Zielzellen zu erleichtern und die Infektion einzuleiten. Die Innenwand der Blutgefäße ist von einer Lage einschichtiger Zellen (Endothelzellen, Perizyten) ausgekleidet, die reichlich ACE2 bilden, was sie zu einem direkten Ziel der SARS-CoV-2-Viren macht.

Untersuchungen des pulmonalen Gefäßbettes haben gezeigt, dass bei Covid-19 im Vergleich zu Kontroll- und Influenzapatienten schwerwiegende Störungen, insbesondere eine weitverbreitete Thrombose und Mikroangiopathie, endotheliale Aktivierung und ausgedehnte Neubildung von Kapillaren (Angiogenese) auftreten, was zusammengenommen zu Lungenentzündung, Lungeninfarkt und ausgedehnten Umbauprozessen in der Lunge (ARDS= Adult Respiratory Distress Syndrom [Schocklunge]) führen kann.

Viele weitere Studien belegen mittlerweile jedoch die Rolle der viralen Schädigung des gesamten Herz-Kreislauf-Systems und eine daraus resultierende generelle vaskuläre Dysfunktion bei Covid-19-Patienten. Die Infektion führt unter anderem zu einer Aktivierung der Gerinnungskaskade und einer Unterdrückung der fibrinolytischen Mechanismen, makrovaskulären und diffusen mikrovaskulären thrombotischen Erkrankungen mit der Folge von akuten arteriellen und venösen Teilverschlüssen und Verschlüssen in lebenswichtigen Organen und Extremitäten.

Hinweise auf eine Endothelschädigung stammen auch aus Autopsieberichten, die eine panvaskuläre Beteiligung bei Covid-19 untermauern, wobei sich insbesondere auch hohe Inzidenzen von tiefen Venenthrombosen zeigten. Die Belastung durch venöse Thromboembolien ist bei Covid-19 beträchtlich mit einer Inzidenz von bis zu 25 Prozent und einer Lungenembolie-Inzidenz von 20 Prozent bei hospitalisierten Patienten.

Weitere Anhaltspunkte für Gefäßmanifestationen der endothelialen Dysfunktion liefern Berichte, die auf die höhere Inzidenz von Schlaganfällen bei Covid- 19-Patienten hinweisen, sowie eine retrospektive Fall-Kontroll-Analyse, die zeigt, dass Covid-19 ein unabhängiger Risikofaktor für Schlaganfälle ist9.

Die überragende Bedeutung der durch eine SARS-CoV-2-Infektion hervorgerufenen gefäßmedizinischen Pathologien lässt sich auch anhand der aktuellen Empfehlungen des RKI zur medikamentösen Therapie ablesen.

Die therapeutische Beeinflussung der gestörten Blutgerinnung durch eine medikamentöse Antikoagulation stellt dabei neben der antiinflammatorischen und antiviralen Therapie das zentrale Element der pharmakologischen Covid-Behandlung dar. Zusammengefasst kann die durch SARS-CoV-2 hervorgerufene Entzündung der Gefäßwand in Arterien und Venen zu Störungen in praktisch jedem Organ des menschlichen Organismus führen und je nach Ausmaß der Veränderungen tödlich sein oder mit invalidisierenden Langzeitfolgen einhergehen.

Bis dato stehen den Medizinern lediglich Behandlungsmethoden zur Verfügung, die in erster Linie Symptome der Erkrankung kupieren. Der Gefäßmedizin mit ihren vielfältigen konservativen, interventionellen und operativen Behandlungsmöglichkeiten fällt dabei eine Schlüsselrolle zu, eben weil Covid-19 vor allem auch eine Gefäßerkrankung mit Schädigung der Blutgefäße ist!


Literatur:

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Quelle:

STATEMENT Covid-19 ist auch eine Gefäßerkrankung PD Dr. med. Farzin Adili Klinikdirektor der Klinik für Gefäßmedizin, Gefäß- und Endovascularchirurgie am Klinikum Darmstadt. Hybridjahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG). Oktober 2021


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