Medizin & Wissenschaft
Diabetischer Fuß: Ulkus erhöht Risiko für Komplikationen
Lesezeit: 5 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung
Nach einem diabetischen Ulkus beträgt das Risiko für eine neuerliche Komplikation innerhalb eines Jahres 42 Prozent. Mit entsprechender Prävention könnte ein Großteil der jährlich rund 3.000 Amputationen verhindert werden.
von Peter Bernthaler
Schätzungen zufolge leiden rund 800.000 Menschen in Österreich an Diabetes mellitus; zehn Prozent davon an Typ 1-Diabetes. Kribbelparästhesien in den Füßen oder auch Gefühllosigkeit für Temperatur, Schmerz und Lageempfinden können die ersten Anzeichen für eine diabetische Neuropathie sein. Aber auch Fehlstellungen wie Krallenzehen oder eine Veränderung des Fußgewölbes können ebenso wie eine periphere arterielle Verschlusskrankheit weitere Risikofaktoren für die Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms sein. „Wenn eine Fußfehlstellung, eine Polyneuropathie oder eine Durchblutungsstörung besteht, dann gilt der Fuß per se schon als Hochrisikofuß. Bei Patienten, die eines dieser Symptome aufweisen, besteht die Gefahr, dass sich ein diabetisches Ulkus am Fuß entwickelt“, sagt Marlies Frank von der 1. Medizinischen Abteilung mit Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie an der Klinik Landstraße in Wien.
Ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms haben darüber hinaus Patienten mit einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus, betont Priv. Doz. Gerlies Treiber von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie an der Medizinischen Universität Graz. Und weiter: „Zusätzliche Risikofaktoren sind die Diabetes-Dauer, Alkoholismus und Nikotin-Abusus.“
Fußläsionen auf dem Boden einer diabetischen Neuropathie finden sich häufig plantar in den Bereichen, auf die der meiste Druck einwirkt. Durch die Druckumverteilung und beispielsweise die Bildung von Krallenzehen verschiebt sich das Fußskelett: Im Bereich der Metatarsalköpfchen kommt es zu Punkten mit erhöhter Druckbelastung. Die Folgen: Blasenbildung und Hornhaut. Die wichtigste Maßnahme stellt die sofortige Druckentlastung im Bereich der Läsion sowie die fachgerechte Abtragung der Hornhaut dar. Die nächsten Schritte sind Säuberung und Desinfektion, Entfernung von nekrotischem Gewebe und das Anlegen eines Wundverbandes. Aufgrund der Gefühllosigkeit wird das Stadium der Blasenbildung oftmals übersehen und es kommt zur Wundinfektion. Treiber dazu: „Je länger das Ulkus besteht und je größer und tiefer es ist, umso größer ist das Risiko, dass ein Keim eindringen kann.“ Die typischen klinischen Symptome der Wundinfektion – Rötung, Schwellung, Überwärmung – fehlen häufig bedingt durch die Polyneuropathie und eine oft eingeschränkte Leukozytenfunktion. Zwei Drittel aller Infektionen beim diabetischen Fußsyndrom werden verursacht durch grampositive Aerobier wie St. aureus, Streptokokken und Enterokokken, knapp ein Drittel durch gramnegative Aerobier wie E. coli und zu einem geringen Teil durch Anaerobier wie Peptostreptokokken.
Die Wundheilungsdauer beträgt bei unkomplizierter Infektion zwei bis drei Wochen, bei einer Infektion des Knochens bis zu acht Wochen. Laut Literatur kommt es bei mehr als 50 Prozent der diabetischen Fußulcerationen zu einer Infektion; bei rund 20 Prozent der moderaten bis schweren Fußinfektionen kommt es zu einer Amputation mit unterschiedlicher Amputationshöhe.
Risikofaktoren im Überblick
- Alter
- Nikotinabusus
- Alkoholabusus
- Lange Dauer eines Diabetes mellitus
- Hyperglykämie
- PaVK
- Inadäquate Fußpflege
- Inadäquates Schuhwerk
- Niedriger sozioökonomischer Status
- Fußdeformitäten
- Immobilität
- Mangelnde Schulung
- Nephropathie
- Retinopathie
- Hypertonie
- Dyslipidämie
- Herzinsuffizienz
- St.p. Fußulcus
- St.p. Amputation
Das Rezidivrisiko ist sehr hoch, wie Frank ausführt „Nach einen diabetischen Ulkus liegt das Risiko für eine neuerliche Komplikation innerhalb eines Jahres bei 42 Prozent, innerhalb von fünf Jahren bei 65 Prozent“. Darüber hinaus beträgt die Fünf-Jahres-Mortalität bei einem diabetischen Fuß 30 Prozent. Nach einer Major-Amputation liegt die Mortalität bei 70 Prozent. Die Amputation per se erhöht die Sterblichkeit: Fünf Jahre nach einer Amputation sind nur noch 27 Prozent der Betroffenen am Leben.
Tägliche oder regelmäßige Fußinspektion der Betroffenen könnte im Vorfeld entscheidend dazu beitragen, eine Ulcus-Entwicklung zu verhindern. Den Aussagen der Experten zufolge ist eine regelmäßige professionelle Fußpflege empfehlenswert, damit Hautveränderung rasch entdeckt werden können und auch Hornhaut entfernt werden kann. Eine wesentliche Rolle in der Prävention spielt auch das entsprechende Schuhwerk: weich und weit zur Vermeidung von Druckstellen, ohne innenliegende Nähte.
Charcot-Fuß als spezielle Komplikation
Beim Charcot-Fuß handelt es sich um einen Abbauprozess des Knochens bei diabetischer Neuropathie. Dabei kommt es zu einer Fehlsteuerung der lokalen kapillären und nervalen Gefäßversorgung, was in der Folge zum Knochenabbau führt. Davon betroffen ist meist der Mittelfuß; aber auch das Sprunggelenk kann in Mitleidenschaft gezogen sein. Typische Anzeichen sind Rötung und Überwärmung des Fußes sowie Schwellung. Die wichtigste Maßnahme ist die Druckentlastung mittels Total Contact Cast, einem speziellen Dreischalen-Gipsverband mit einem Fenster für die Wundbehandlung und einer speziellen Polsterung, um Druckstellen zu vermeiden. Diese Druckentlastung könne vier bis sechs Monate lang erforderlich sein, wie Treiber erklärt.
Bildquellen & Copyright
Ganzen Artikel lesen