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Epstein-Barr-Virus: Der ständige Begleiter
Lesezeit: 4 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung
Der Höhepunkt der Inzidenz für infektiöse Mononukleose liegt zwischen 15 und 24 Jahren, wobei die Infektion bei älteren Erwachsenen sich von der bei Adoleszenten in der Symptomatik unterscheidet. Nach der Primärinfektion persistiert das Virus lebenslang und wird immer wieder asymptomatisch über den Oropharynx ausgeschieden.
von Irene Mlekusch
Mehr als 90 Prozent der erwachsenen Bevölkerung weltweit sind seropositiv für Epstein-Barr-Virus (EBV)-Antikörper. Zwar findet die Primärinfektion meist im Kindesalter statt, aber weniger als zehn Prozent der infizierten Kinder entwickeln eine klinisch relevante Symptomatik. „Kinder entwickeln eher selten schwere klinische Symptome des Pfeiffer’schen Drüsenfiebers. Der Schwerpunkt der klinisch symptomatischen Erkrankung liegt in der Adoleszenz oder im jungen Erwachsenenalter“, erklärt Univ. Prof. Elisabeth Puchhammer-Stöckl vom Zentrum für Virologie an der Medizinischen Universität Wien. Der Höhepunkt der Inzidenz für Infektiöse Mononukleose liegt im Alter von 15 bis 24 Jahren.
Typische Trias
In den meisten Fällen zeigt sich bei infektiöser Mononukleose eine Trias von Fieber, Pharyngitis und symmetrischer Lymphadenopathie. „Belegte Tonsillen finden sich eher bei Jugendlichen und sind im lokalen Befund einer Streptokokken-Angina ähnlich“, fügt Univ. Prof. Volker Strenger von der Klinischen Abteilung für allgemeine Pädiatrie an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz hinzu. Gliederschmerzen, fauliger Mundgeruch, körperliche Schwäche und Müdigkeit, ein generalisiertes Exanthem, orale Haarleukoplakie, palatinale Petechien, periorbitale Ödeme, Ikterus, Splenomegalie und/oder Hepatomegalie können ebenfalls im Rahmen der Erstinfektion auftreten. „Die Infektion kann theoretisch jedes Organ betreffen“, merkt Strenger an. Ältere Erwachsene reagieren eher mit einer Hepatomegalie, Ikterus und Fieber, während sich etwa 15 Prozent der Adoleszenten mit nur unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit und Leistungsknink präsentieren. Puchhammer-Stöckl empfiehlt daher, bei Jugendlichen mit subfebrilen Temperaturen und länger andauernder Müdigkeit einerseits an eine EBV-Infektion zu denken und andererseits eine Infektion mit dem Zytomegalie-Virus als Differentialdiagnose in Betracht zu ziehen. Nach der Primärinfektion persistiert das Virus lebenslang vor allem in B-Lymphozyten und wird immer wieder asymptomatisch über den Oropharynx ausgeschieden.
Differentialdiagnostisch kommen klinisch neben bakteriellen Infektionen mit betahämolysierenden Streptokokken der Gruppe A und Arcanobacterium haemolyticum auch Infektionen mit dem Zytomegalie-Virus, eine primäre HIV-Infektion und eine Toxoplasmose in Betracht. Bei der Streptokokken-Angina findet sich jedoch für gewöhnlich keine ausgeprägte Müdigkeit und keine Splenomegalie. Infektionen mit dem Zytomegalie-Virus und Toxoplasma gondii sind in der Regel nicht mit einer schweren Pharyngitis vergesellschaftet. Trotzdem sollten ein komplettes Blutbild und eine Serologie erfolgen, um die Diagnose zu sichern.
Relative oder atypische Lymphozytose
Häufig findet sich bei Patienten mit einer infektiösen Mononukleose eine relative oder atypische Lymphozytose, welche bei älteren Personen oft weniger deutlich ausgeprägt ist. Atypische Lymphozyten finden sich aber ebenso im Rahmen von anderen viralen Infektionen wie beispielsweise HIV, Röteln, Hepatitis B oder beim Zytomegalie-Virus. Bei Erwachsenen kommt es meist zum Anstieg der Transaminasen um das Zwei- bis Dreifache der Norm. Puchhammer-Stöckl rät in jedem Verdachtsfall zu einer sauberen serologischen Diagnostik und dem Nachweis von EBV-spezifischen Antikörpern. IgM-Antikörper gegen das EBV-Viruskapsid-Antigen (VCA) finden sich bei fast allen Primärinfektionen; sie sind bis zu zehn Wochen nachweisbar. Teilweise sind sie auch bei EBV-Reaktivierungen vorhanden. IgG-VCA entwickeln sich zwar auch früh und persistieren lebenslang. „Nachweisbare IgG-Antikörper sind daher kein Beweis für eine akute Erkrankung oder Komplikation, sondern zeigen nur, dass die Patienten in der Vergangenheit bereits eine Erstinfektion mit EBV durchgemacht haben“, verdeutlicht Puchhammer-Stöckl. Die genauere zeitliche Einordnung der Infektion gelingt teilweise durch Antikörper gegen das EBV-spezifische nukleäre Antigen (EBNA), die bei den meisten Patienten erst nach sechs bis acht Wochen nachgewiesen werden können oder durch spezifische Aviditäts-Tests, mit denen rezente von zurückliegenden Infektionen unterschieden werden können.
Bei mehr als der Hälfte der Erkrankten kommt es zu Splenomegalie. Diese erreicht in der zweiten und dritten Erkrankungswoche ein Maximum mit einem kaum tastbaren Milzrandbogen. Subkapsuläre Milzblutungen oder spontane Milzrupturen treten bei Erwachsenen bei bis zu 0,5 Prozent der Betroffenen auf. Ein erhöhtes Risiko für eine Ruptur findet sich bei männlichen Erkrankten unter 30 Jahren zwischen dem vierten und 21. Tag nach dem Beginn der Symptome. Strenger empfiehlt eine Milzsonographie bei stark ausgeprägter infektiöser Mononukleose vor allem bei sportlich aktiven Patienten. Er warnt jedoch davor, dass die Sonographie „nur eine Momentaufnahme darstellt“ und sich die Milz auch später im Verlauf noch vergrößern könne. Um das Risiko einer Ruptur so gering wie möglich zu halten, sollte mindestens drei Wochen auf Sport verzichtet werden. Risikoarmer Sport kann danach wiederaufgenommen werden. Aktivitäten mit einer hohen Verletzungsgefahr und bei denen es zu einer Zunahme des intraabdominellen Drucks kommt, sollten länger gemieden werden. Strenger weiter: „Für eine Kontroll-Sonographie gibt es keine klaren Richtlinien“. Und bei Kindern ohne besondere sportliche Ambitionen sei „nach der klinischen Genesung eher keine Kontrolle nötig.“
Komplikationen
Verschiedene Komplikationen werden mit der infektiösen Mononukleose in Verbindung gebracht. Dazu zählen Atemwegsobstruktionen, autohämolytische oder aplastische Anämie, Thrombozytopenie, Neutropenie, Hepatitis, Otitis media, Pneumonie, Nephropathie und Myokarditis. Neurologische Komplikationen sind selten, können aber zwei bis vier Wochen nach den Initialsymptomen auftreten. Virus-Enzephalitis, Gesichts- und Hirnnervenlähmung, Guillain-Barré-Syndrom, Meningitis, Myelitis, periphere und optische Neuritis sind unter Umständen möglich. Außerdem wird wahrscheinlich das Alice-Im-Wunderland-Syndrom bei Kindern durch eine Infektion getriggert. Fulminante oder tödlich verlaufende Primärinfektionen mit EBV kommen bei immunkompetenten Personen sehr selten vor. „Bei einer überschießenden Immunaktivierung kann es zu einer hämophagozytischen Lymphohistozytose kommen“, berichtet Strenger. Die Letalität dieser Erkrankung liegt im Kindesalter bei 75 Prozent.
Spätfolgen
EBV ist assoziiert mit der Entwicklung von malignen Erkrankungen wie dem Burkitt-Lymphom, bestimmten Formen des Hodgkin-Lymphoms, dem anaplastischen Nasopharynx-Karzinom, bestimmten Magenkarzinomen, lymphoproliverativen Erkrankungen und bestimmten B-Zell-Tumoren bei immungeschwächten Personen. Außerdem ist die infektiöse Mononukleose ein möglicher Trigger für das Chronic Fatigue Syndrom.
Genetische Prädisposition
Bisher war unklar, warum einige immunkompetente Menschen nach einer Infektion mit EBV an infektiöser Mononukleose erkranken beziehungsweise Reaktivierungen und Erstinfektionen bei Patienten nach Transplantationen zu einem Posttransplantationslymphom führen können. In einer kürzlich publizierten Studie konnte ein Zusammenhang zwischen klinisch evidenten EBV-assoziierten Erkrankungen und Variationen in der inhibitorischen NKG2A/LMP-1/HLA-E Achse gezeigt werden. Puchhammer-Stöckl dazu: „Treffen ein spezieller EBV-Stamm und eine entsprechende menschliche Gen-Variation aufeinander, hat man ein deutlich erhöhtes Risiko, symptomatisch zu erkranken, auch wenn man sehr gesund lebt.“
Verlauf meist selbstlimitierend
In den meisten Fällen verläuft eine infektiöse Mononukleose selbstlimitierend. Strenger gibt aber zu bedenken, dass manche Patienten nach einer EBV-Infektion länger benötigen, um sich zu erholen. Die Therapie wiederum ist rein symptomatisch. Während der akuten Krankheitsphase wird Schonung dringend angeraten. Paracetamol sollte wegen der Beeinträchtigung der Leberfunktion nicht verabreicht werden und Acetylsalicylsäure ist bei Kindern kontraindiziert wegen des Risikos für ein Reye-Syndrom. Puchhammer-Stöckl weiter: „Die Gabe von Amino-Penicillinen ist zu vermeiden, da es bei infektiöser Mononukleose zu einem generalisierten Exanthem kommen kann.“ Kortikosteroide können bei Patienten mit Pharynxschwellung und Atemnot, kardialen oder neurologischen Beschwerden sowie hämolytischer Anämie verordnet werden.
„EBV-Reaktivierungen finden häufig statt. Sie verlaufen meistens asymptomatisch“, berichtet die Expertin. Und Strenger verweist darauf, dass vor allem Patienten nach Organ- oder Stammzelltransplantation im Rahmen einer EBV-Reaktivierung schwer erkranken können. EBV steht im Zusammenhang mit einem Großteil aller Post-Transplantations-Lymphome (PTLD, Post Transplantations-Lymphom-Disorder). Puchhammer-Stöckl betont, dass vor allem seronegative Kinder und Jugendliche nach einer Transplantation gefährdet sind, im Zuge einer EBV-Primärinfektion an einem Post-Transplantations-Lymphom zu erkranken. Auch hier kann die Erkrankung durch das Transplantat eines EBV-positiven Spenders ausgelöst werden. „Engmaschige Kontrollen der Viruslast sind bei Patienten post Transplantation erforderlich, um die Entwicklung einer PTLD rechtzeitig zu erkennen“, merkt Puchhammer-Stöckl an.
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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 /10.04.2023
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