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Sprunggelenk-Verletzungen: tägliche Routine in der orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis

Lesezeit: 3 Minuten Quelle: MEDMIX Online

Die Versorgung von Sprunggelenksverletzungen gehören zur täglichen Routine in der orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) erfasste im Jahr 2017 bei Stolper-, Rutsch- und Sturzunfällen 38 Prozent Verletzungen im Bereich des Knöchels und Fußes. Davon waren 39 Prozent Zerrungen/Verstauchungen und 15 Prozent Brüche. Zudem machten Verletzungen des Fußes und des Sprunggelenks 2017 insgesamt 18 Prozent aller Verletzungen bei Arbeits- und Wegeunfällen aus. Davon entfielen 59 Prozent auf das obere Sprunggelenk. Bei den neuen Unfallrenten führten im Fußbereich ebenfalls die Sprunggelenksverletzungen mit 47 Prozent.

Ursachen

Häufige Ursachen sind ungünstige Bewegungsabläufe beim Gehen oder Laufen zum Beispiel durch Bodenunebenheiten sowie schnelle Richtungswechsel und Sprunglandungen bei Ballsportarten. Biomechanische Kadaveruntersuchungen und bewegungsanalytische Studien schlüsselten detailliert auf, welche Belastungen dabei auf die einzelnen Strukturen des Sprunggelenkkomplexes und Fußes einwirken und dass nur wenige Grad Abweichung von der normalen Gelenkstellung ausreichen können, um die Verletzung auszulösen. Übergewicht kann das Risiko erhöhen.

Aus Schweden wurden 71 bis 187 Sprunggelenkbrüche pro 100 000 Personen und Jahr berichtet, am häufigsten durch Sturz. Für die Allgemeinbevölkerung anderer Länder werden 220 bis 700 Sprunggelenksverletzungen pro 100.000 Personen und Jahr angegeben. Im deutschen Vereinssport standen sie 2013 mit 27 Prozent an erster Stelle. Bis zu fünf Prozent aller Vorstellungen in den Notfallambulanzen Großbritanniens entfallen auf Sprunggelenksverletzungen, was circa 5600 pro Tag entspricht.

Die Dunkelziffer dieser Verletzungen liegt sicher höher, da viele Menschen nach einer weichteiligen Sprunggelenksverletzung oft erst gar nicht zum Arzt gehen. So berichten in Umfragen 70 Prozent der Allgemeinbevölkerung, im Laufe ihres Lebens mindestens eine Sprunggelenksverletzung erlitten zu haben. Findet ein Arztbesuch statt, ist bislang nicht erfasst, wie häufig gemäß den aktuellen Leitlinien diagnostiziert und behandelt wird.

Versorgung von Sprunggelenksverletzungen in Zahlen

Aus Deutschland liegen keine umfassenden Zahlen zur Versorgung von Sprunggelenksverletzungen vor. In einer eigenen Untersuchung wurde die Anzahl neu aufgetretener Sprunggelenksverletzungen anhand der Abrechnungsdaten der AOK Baden-Württemberg ermittelt. Und zwar als Einblick in das diagnostische und therapeutische Vorgehen in der ambulanten und stationären Versorgung. Von Patienten mit Verletzungen der Bänder und Sehnen des oberen Sprunggelenkes und mit Sprunggelenkbrüchen haben die Forschenden pseudonymisierte Daten ausgewertet. Und zwar im Zeitraum von 2008 bis 2015. Von den Versicherten der AOK Baden-Württemberg waren 2015 32 337 Männer und 32 118 Frauen wegen einer neu aufgetretenen Verletzung der Knöchelregion und des Fußes in ärztlicher Behandlung, davon je circa zehn Prozent mit Sprunggelenkbruch.

Sprunggelenksverletzungen machten 16 Prozent aller neu aufgetretenen Verletzungen aus – nach Kopf, Handgelenk und Hand an dritter Stelle. Kapsel-/ Bandverletzungen des Sprunggelenks waren in dieser Stichprobe bei Männern mit 1538 pro 100 000 etwas häufiger als bei Frauen mit 1380 pro 100 000; ein Altersgipfel lag zwischen 15 und 19 Jahren. Über 60 Prozent haben Fachärzte für Chirurgie/Orthopädie/Unfallchirurgie behandelt. Eine Arbeitsunfähigkeit ergab sich für 66 Prozent der Männer und 58 Prozent der Frauen. Bandagen oder Orthesen wurden bei 34 Prozent der Männer und 38 Prozent der Frauen verordnet. Während des genannten Zeitraums verminderte sich die Verletzungshäufigkeit nicht.

Vorbeugung von Sprunggelenksverletzungen

Vorbeugende Maßnahmen sollten besser bekannt gemacht werden und regelmäßig zum Einsatz kommen. Unzureichend oder unbehandelt verursachen Sprunggelenksverletzungen jedenfalls häufig bleibende Beschwerden. Wie beispielsweise eine chronische Instabilität mit häufigem Umknicken. Außerdem können die Probleme schließlich auch einen vorzeitigen Gelenkverschleiß verursachen. Neben einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität kann das zu immensen Folgekosten führen. Aber es können auch wiederholte Arbeitsunfähigkeit sowie sogar eine Minderung der Erwerbsfähigkeit die Folgen sein.

Das Risiko wiederholter Verletzungen kann zwar durch Tapes oder Orthesen gesenkt werden. Jedoch auch Patienten, deren Sprunggelenk vier Wochen so behandelt worden war, erlitten in einer Langzeitstudie in 23 Prozent eine erneute Verletzung. Bis zu 64 Prozent der Betroffenen haben drei Jahre nach einer Kapsel-/Bandverletzung des Sprunggelenks immer noch Beschwerden. 72 Prozent der am Sprunggelenk Verletzten waren nicht mehr in der Lage, ihr vorheriges Aktivitätslevel aufrechtzuerhalten.

Operative Versorgung, Ruhigstellung

Das Verletzungsausmaß sollte man daher bereits im Rahmen der Erstversorgung minutiös untersuchen. Außerdem sollte man Vorverletzungen erfassen, um weitere Behandlungsschritte umgehend einzuleiten (International Ankle Consortium). Dazu gehören bei Knochenbrüchen die operative Versorgung oder Ruhigstellung. Bei weichteiligen Verletzungen wie der Kapsel-/Bandverletzung die Anlage einer ausreichend stabilisierenden, idealerweise geschnürten/adaptierenden semirigiden Sprunggelenkorthese für einen Zeitraum von mindestens fünf Wochen. Gemäß der Leitlinie Akute Außenbandruptur am oberen Sprunggelenk 2017. Eine mögliche Verletzung der Syndesmose (Bandverbindung der Knöchelgabel) muss berücksichtigt werden.

Eine enge Vernetzung zwischen den Notfallambulanzen, den Hausärzten und den niedergelassenen Fachärzten für Orthopädie und Unfallchirurgie ist unabdingbar, um sowohl die umfassende Erstversorgung als auch die adäquate Anschlussbehandlung sicherzustellen. Die Überprüfung des Verlaufs und der Akzeptanz einer Hilfsmittelversorgung muss engmaschig erfolgen, um Folgeschäden zu verhindern. Zur Vermeidung erneuter Verletzungen sollte eine Beratung über die Anwendung von Hilfsmitteln in risikoreichen Alltagssituationen und in beruflichen wie sportlichen Aktivitäten erfolgen. Ebenso kann ein regelmäßiges koordinatives Training erneuten Verletzungen vorbeugen, bei Übergewicht auch eine Gewichtsreduktion.

Fazit

Unter dem Strich gehört jede Sprunggelenksverletzung in fachärztliche Hände. Denn diese garantieren eine optimale, den Leitlinien gemäße Diagnostik und Behandlung. Zudem hilft das dabei, Folgeschäden zu vermeiden. Koordinationstraining und Tragen von Sprunggelenkorthesen hilft bei riskanten Sportarten und Tätigkeiten, Folgeverletzungen vorzubeugen. Das gilt schließlich auch für die Reduktion von Übergewicht.


Literatur:

Delahunt E, et al. Clinical assessment of acute lateral ankle sprain injuries (ROAST). 2019 consensus statement and recommendations of the International Ankle Consortium. Br J Sports Med. 2018 Oct;52(20):1304-1310. doi: 10.1136/bjsports-2017-098885. Epub 2018 Jun 9.

Gribble PA, et al. 2016 consensus statement of the International Ankle Consortium: prevalence, impact and long-term consequences of lateral ankle sprains. Br J Sports Med. 2016 Dec;50(24):1493-1495. doi: 10.1136/bjsports-2016-096188. Epub 2016 Jun 3.


Weitere Informationen:

Leitlinie Frische Außenbandruptur am oberen Sprunggelenk

Leitlinie Sprunggelenkfraktur

DGUV-Broschüre Stolperstürze


Quelle:

Sprunggelenksverletzungen – Warum sind sie so häufig? Wie werden sie optimal behandelt und sind sie vermeidbar? Professor Dr. med. Benita Kuni Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie, Durchgangsärztin, Ortho-Zentrum Karlsruhe


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