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Herzinsuffizienz: Therapie und Training wirken

Lesezeit: 4 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung

In die US-amerikanischen Leitlinien haben die guten Studienergebnisse von SGLT2-Hemmern bei Herzinsuffizienz Eingang gefunden. Und es gibt eine klare Empfehlung für regelmäßiges Training. Die Leistungsfähigkeit lässt sich dadurch um bis zu 25 Prozent verbessern.

von Martin Schiller

In den im Jahr 2021 aktualisierten ESC-Leitlinien für die Diagnostik und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz wird erstmals angegeben, bei allen Patienten mit HFrEF (LVEF ≤ 40 %) eine Therapie mit vier Medikamenten der höchsten Empfehlungsklasse zur Reduktion von Morbidität und Mortalität anzustreben. Dabei handelt es sich um RAS-Blocker (Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor, ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptorblocker), Betablocker, Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten (Spironolacton, Eplerenon) und SGLT2-Hemmer (Dapagliflozin, Empagliflozin). Auch der Faktor Zeit spiele dabei eine Rolle, wie Univ. Prof. Johann Auer von der Abteilung für Innere Medizin I des Krankenhauses St. Josef in Braunau erklärt: „Die Patienten sollen alle vier Medikamente schnellstmöglich in Kombination erhalten, damit sie von der zum Teil rasch einsetzenden prognoseverbessernden Wirkung so früh wie möglich profitieren“. Dapagliflozin und Empagliflozin werden unabhängig davon empfohlen, ob die Betroffenen an Diabetes mellitus leiden.

In diesem Zusammenhang verweist Auer auf die 2022 aktualisierten US-amerikanischen Guidelines for the Management of Heart Failure 2022 (AHA/ACC/HFSA), in denen SGLT2-Hemmer auch eine Aufwertung bei anderen Formen der Herzinsuffizienz erfahren haben. Sie haben bei HFmrEF als einzige Wirkstoffgruppe eine IIA-Empfehlung erhalten. Auer weiter: „Auch bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion und einer LVEF ≥50% gibt es für die Behandlung mit einem SGLT2-Hemmer jetzt erstmals eine IIA-Empfehlung.“ In die europäischen Leitlinien haben die Empfehlungen zum Einsatz bei HFpEF noch keinen Eingang gefunden. Das liegt laut Auer daran, dass die der Änderung zugrundeliegenden Ergebnisse aus der EMPEROR-Preserved-Studie und der DELIVER-Studie bei Aktualisierung der ESC-Leitlinien noch nicht bekannt waren. Univ. Doz. Martin Hülsmann von der Klinischen Abteilung für Kardiologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin II der Medizinischen Universität Wien erwartet aber demnächst ein entsprechendes Update der ESC-Leitlinien: „Damit würde für die HFpEF erstmalig ein Medikament zur Verfügung stehen.“

Sowohl in den ESC-Leitlinien als auch in den US-amerikanischen Leitlinien ist vorgesehen, dass eine Behandlung von HF-mrEF mit ARNI, ACE-Hemmern, ARB, MRA und Betablockern grundsätzlich erwogen werden kann. „Das gilt vor allem dann, wenn die LVEF-Werte im unteren Bereich des HFmrEF-Spektrums liegen. Allerdings ist die Empfehlungsstärke mit dem Grad IIB für diese Substanzen im Vergleich zu SGLT2-Hemmern in der US-amerikanischen Leitlinie schwach“, erläutert Auer.

Bedeutung von Biomarkern steigt

Als Standard bei der Diagnostik der Herzinsuffizienz hat sich die Echokardiografie etabliert. Sie hat in den ESC-Leitlinien Klasse I-Empfehlung und erlaubt zeitnahe Aussagen zur systolischen und diastolischen Herzfunktion, zu relevanten Klappenvitien und zur Myokardstruktur. Immer mehr in den Vordergrund der Diagnostik rücken Biomarker, vor allem NT-proBNP, wie beide Experten betonen. Dieses habe – so Hülsmann und Auer unisono – von allen Untersuchungsmethoden inzwischen das höchste Evidenzlevel für alle Patienten mit Herzinsuffizienz. „Es handelt sich dabei um den besten Screening- und Verlaufsmarker“, sagt Hülsmann. Und Auer ergänzt: „Bei einem Symptom wie Atemnot ist BNP beispielsweise gut geeignet, eine Herzinsuffizienz auszuschließen.“

Wurde eine Herzinsuffizienz diagnostiziert, sollte im Verlauf der Krankheit routinemäßig eine Untersuchung auf das Vorliegen eines Eisenmangels erfolgen mit der Bestimmung von Serum-Ferritin und Transferrinsättigung. „Befindet sich ein Patient nahe an den Grenzwerten, wird Eisen substituiert – auch bei einer leichten Herzinsuffizienz“, berichtet Hülsmann. Die Erfahrung zeige, dass damit stets die Lebensqualität verbessert werden könne. Verlässliche Daten, ob sich dadurch auch die Prognose verbessert, gebe es aktuell aber noch nicht, so Hülsmann.

Frühe Anzeichen

Die Hauptsymptome der Herzinsuffizienz werden durch Flüssigkeitsansammlung beziehungsweise Stauung und verminderte Gewebedurchblutung verursacht. Frühe Anzeichen sind laut Auer eine verminderte Belastbarkeit, schnelle Ermüdung bei körperlicher Betätigung, Abgeschlagenheit, Kurzatmigkeit sowie nächtliche Atemnot, die sich erst durch das Aufsetzen im Bett bessert. Auch Nykturie kann Anzeichen für eine Herzinsuffizienz sein. Auer verweist außerdem auf Bendopnoe: „Berichtet ein Patient beispielsweise über Kurzatmigkeit oder Atemnot beim Schnüren der Schuhe, ist das als Alarmsignal zu werten.“

Auch junge Menschen müsse man unter bestimmten Umständen im Blickfeld haben, wie Hülsmann ausführt: „Während die Entwicklung einer Herzinsuffizienz in höherem Alter oft ein schleichender Prozess ist, macht sie sich bei jungen Menschen meist durch einen groben Leistungsknick bemerkbar.“ Wenn sich beispielsweise ein junger Mensch seit Wochen nicht von einem grippalen Infekt erholt, kann es sich um eine abgelaufene Herzmuskelentzündung handeln, die in einer Herzinsuffizienz mündet.“ Hülsmann empfiehlt in solchen Fällen die Bestimmung von BNP und – falls sich dabei ein erhöhter Wert zeigt – eine Echokardiografie.

Herzinsuffizienz:  keine strikte Natriumrestriktion

Lange Zeit wurden bei Herzinsuffizienz die klinischen Vorteile einer strikten Natriumrestriktion propagiert. „In klinischen Studien war dies aber nicht überzeugend dokumentiert und die Empfehlung ist auch nicht mehr haltbar“, betont Auer. Vergangenes Jahr wurde mit SODIUM-HF die bis dato größte und längste randomisierte kontrollierte Studie zum klinischen Nutzen der Natriumeinschränkung publiziert. In der Low-Sodium-Gruppe mit einer Zufuhr von weniger als 1.500 mg pro Tag (entspricht circa 2,5 Gramm Kochsalz) ergaben sich zwar moderate Verbesserungen der Lebensqualität und der NYHA-Klasse, aber keine signifikanten Auswirkungen auf kardiovaskulär bedingte Hospitalisierungen. „Die positiven Erwartungen an die Low-Sodium-Strategie sind enttäuscht worden. Völlig salzarm müssen die Patienten somit nicht eingestellt werden“, kommentiert Auer die Studienergebnisse.

Für die Flüssigkeitszufuhr gelten die üblichen Empfehlungen von 1,5 bis maximal zwei Liter pro Tag. „Diese Beschränkung der täglichen Trinkmengen ist wichtig, weil Herzinsuffizienzpatienten zu Ödemen und zur Überwässerung neigen. Wird mehr getrunken, würde das in vielen Fällen eine Steigerung der Diuretikadosierung erfordern“, so Auer.

Anzeichen für fortgeschrittenes Stadium

Für die fortgeschrittene Herzinsuffizienz gibt es laut Hülsmann nach wie vor keine echte Definition und keine validierte Therapie. Zwei Variablen würden Aufschluss über den Status geben: die massiv eingeschränkte Lebensqualität und die eingeschränkte Prognose. „Was vom Patienten als Atemnot bei geringer Belastung beschrieben wird, ist aber subjektiv und aus ärztlicher Sicht auch oft schwer objektivierbar. Es bleibt unklar, ob Angst hinter dem Symptom steckt, die Nicht-Bereitschaft, sich zu belasten oder ob auch nicht-kardiale Faktoren wie Adipositas dabei eine Rolle spielen“, merkt Hülsmann an. Ein sehr hoher BNP-Wert von über 2.000 pg/ml ließe jedenfalls den Schluss auf das Vorliegen einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz zu. Gleiches gelte bei einer bereits eingeschränkten Nierenfunktion, wenn diese auf einer kardialen Genese beruht. Als weiteren Punkt nennt Hülsmann das Auftreten einer eingeschränkten Rechtsventrikelfunktion. „Dies wird in der Literatur wenig erwähnt. Aber in der klinischen Praxis zeigt sich häufig, dass damit der Punkt erreicht ist, ab dem die Herzinsuffizienz ein fortgeschrittenes Stadium erreicht hat.“ Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz gelten als „unselige Zwillinge“, da eine wechselseitige Risikoerhöhung besteht, wie Hülsmann erläutert. 95 Prozent der Herzinsuffizienzpatienten entwickeln eine Glukoseintoleranz und je nach Schwere 20 bis 40 Prozent einen manifesten Diabetes mellitus. „Der Grund dafür ist die Hypoxie und die Aktivierung von Neurohormonen, die zu einer Insulinresistenz führen.“ Umgekehrt haben Menschen mit Diabetes mellitus ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz. „Vorrangig entwickeln die Patienten eine HFpEF“, sagt Hülsmann. Dabei führt der gestörte Glukoseabbau zur Bildung von toxischen Abbauprodukten, die wiederum die Apoptose sowie zunehmende Fibrose und Ventrikelsteifigkeit zur Folge haben. Bei einem schlecht eingestellten Diabetes besteht darüber hinaus auch eine Neigung für eine HFrEF im Rahmen einer koronaren Herzkrankheit.

Auch Personen mit arterieller Hypertonie und koronarer Herzkrankheit weisen ein erhöhtes Risiko für eine Herzinsuffizienz auf. „Blutdruckeinstellung, Therapie der koronaren Risikofaktoren sowie Adipositasbehandlung und Adipositasprävention sind daher wesentliche Eckpfeiler, um einer Herzinsuffizienz vorzubeugen“, betont Auer. Besonderes Augenmerk sollte man laut Hülsmann auf onkologische Patienten legen. „Es stehen zwar immer mehr exzellente Therapien zur Verfügung. Aber gleichzeitig können diese auch kardiale Nebenwirkungen entfalten. Dafür muss noch ein stärkeres Bewusstsein entwickelt werden.“

Aktives Leben empfohlen

In aktuellen Empfehlungen wird Menschen mit Herzinsuffizienz zu einem aktiven Leben geraten. „Ein richtig abgestimmtes Training kann sowohl die Symptome der Herzschwäche lindern als auch den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen“, sagt Auer. Vor allem Ausdauerbewegung wird explizit empfohlen.

„Untersuchungen zu regelmäßigem Ausdauertraining haben ergeben, dass sich die Leistungsfähigkeit sogar um zehn bis 25 Prozent verbessern lässt – je nach Intensität und Dauer des Programms.“ Der Beginn eines solchen Trainings sollte unter ärztlicher Supervision verlaufen, idealerweise im Rahmen einer rehabilitativen Begleitung, wie Auer abschließend betont: „Die Bewegung ist in diesem Fall wie ein Arzneimittel zu betrachten, das eine Überwachung bei Dosierung und Einnahme erfordert.“


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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 /25.05.2023
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