Medizin & Wissenschaft

Antibiotika-Resistenzen: Gezieltes Vorgehen

Lesezeit: 4 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung

Bei vielen Antibiotika gegen gramnegative Erreger liegt aktuell die Resistenz zwischen zehn und 25 Prozent. Besonders ein Spitalsaufenthalt im Ausland ist von besonderer Bedeutung wegen der dort wesentlich höheren Resistenzrate von MRSA. 

von Manuela‑C. Warscher

Bei den Antibiotika-Resistenzen handle es sich um eine „stille Pandemie“, sagt Assoz. Prof. Heimo Lagler von der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien. „Sie fordert zwar nicht wie Corona Tausende Erkrankte auf einmal. Dennoch sterben jährlich zahlreiche Menschen an den Folgen von resistenten Erregern.“ Demnach sollen im Jahr 2019 weltweit rund 1,27 Millionen Menschen an den Folgen einer Infektion mit Antibiotika-resistenten Erregern verstorben sein. Als besonders „problematisch“ (Lagler) erwiesen sich gramnegative Erreger wie E. coli, K. pneumoniae und P. aeruginosa. Auch in Österreich lasse sich bei gramnegativen Bakterienstämmen „ein gewisser Trend“ erkennen, wonach „immer häufiger Erreger auf gewisse Antibiotika resistent“ würden, sagt Lagler. Laut dem aktuellen Antibiotika-Resistenzbericht (AURES) des Gesundheitsministeriums liegt die Resistenz bei vielen Substanzen zwischen zehn und 25 Prozent. Einem Antibiogramm vor Antibiotika-Verordnung käme den Aussagen von Lagler daher zentrale Bedeutung zu, denn „es gibt fast immer eine Therapieoption“.

Die Situation in Österreich

Völlig anders sieht hingegen die Situation bei grampositiven Erregern aus. „Hier sind die Resistenzen stabil bis rückläufig“, wie Lagler betont. Und vor diesem Hintergrund sei die Situation in Österreich weder „dramatisch noch schlimm“. Auch Univ. Prof. Petra Apfalter vom Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin des Ordensklinikums in Linz betont, dass die Lage in Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern „sehr günstig“ sei. Die Befürchtung, wonach S. aureus „multiresistent würde“, habe sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Im letzten AURES-Bericht ist festgehalten, dass es im Fünf-Jahres-Rückblick sogar zu einem Rückgang um 4,1 Prozent beim Methicillin-resistenten S. aureus (MRSA) gekommen ist. Ebenso konnte in Österreich noch nie ein invasives St. aureus-Isolat mit einer Resistenz gegenüber Vancomycin detektiert werden. „Die offiziellen Daten spiegeln dabei die schlimmere Variante wider, weil sie auf Proben von Patienten basieren, die bereits mehrere frustrane Therapieversuche durchlaufen haben“, sagt Apfalter und verweist darauf, dass die Resistenzrate „sogar noch darunter liegt“. Das bedeute jedoch nicht, dass alles in Ordnung sei, relativiert die Expertin, denn: „Die Resistenzentwicklung ist ein langsamer Prozess und keine Erdrutschbewegung.“

Rückgang beim Antibiotika-Verbrauch

Von 2019 zu 2020 wurde in Österreich ein Rückgang beim Antibiotika-Verbrauch registriert. Lag dieser im Jahr 2019 bei 55.231 Kilogramm, waren es 2020 nur noch 47.455 Kilogramm. Die Resistenzentwicklung wiederum geht mit dem Verbrauch einher – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen. Dieser Verbrauch variiere im Laufe des Jahres. Kritik üben beide Experten an der Verschreibung von Antibiotika bei Atemwegsinfekten, die „primär von Viren ausgelöst werden“. Dies sei nicht nur „nutzlos, weil unwirksam“, sondern erhöhe auch die Gefahr von Resistenzentwicklungen. Die steigende Resistenz von Reserve-Antibiotika wie Carbapeneme gegenüber Enterobacteriaceae wie Klebsiella pneumoniae und E. coli und Nonfermenter wie Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii bezeichnet Apfalter als „besorgniserregend – allerdings primär für den stationären Bereich“.

Apfalter und Lagler empfehlen den Einsatz von schnellen ‚Point of Care-Tests‘ bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. „Die schnelle Ermittlung des CRP beispielsweise gibt rasch Auskunft darüber, ob eine bakterielle Pneumonie vorliegt. Ein eitriges Sputum ist ein klarer Hinweis auf Bakterienbeteiligung und eine Indikation für die Verordnung eines Antibiotikums“, betont Lagler. Ähnliche Schnelltests geben auch Hinweise auf das Vorliegen von Pneumokokken oder Legionellen im Harn. Existieren bei einer Pharyngitis eitrige Belege, ist das ein Hinweis auf Streptokokken-Besiedlung und somit die Verordnung von Penicillin gerechtfertigt. Auch die Nachfrage hinsichtlich Auslandsaufenthalten hilft bei der Entscheidung bezüglich der Verschreibung von Antibiotika. „Das ist nicht nur wichtig wegen diversen Tropenerkrankungen, sondern vielmehr wegen der Tatsache, ob jemand im Ausland im Krankenhaus gelegen ist. Die MRSA-Rate ist dort nämlich wesentlich höher als in Österreich“, gibt Lagler zu bedenken. Er spricht sich darüber hinaus für einen „rationaleren Antibiotikaeinsatz“ aus. Es müsse das Antibiotikum ausgewählt werden, das den Grundsätzen schmales Wirkungsspektrum, große therapeutische Wirkung und gute Gewebeverteilung am Ort der Infektion folge.

Antibiotika-Empfehlung

  • Unkomplizierter Harnwegsinfekt: Nitrofurantoin, Pivmecillinam oral (alternativ: Fosfomycin)
  • Fieberhafter Harnwegsinfekt (meist Pyelonephritis): Amoxicillin/Clavulansäure oral (alternativ: Cefalexin)
  • Akute Bronchitis (meist viral): kein Antibiotikum
  • Chronische Bronchitis: Amoxicillin oral (alternativ: Clarithromycin, Moxifloxacin, Levofloxacin)
  • Pneumonie ohne Komorbiditäten bei unter 50-Jährigen: Amoxicillin oral (alternativ: Doxycyclin, Clarithromycin)
  • Pneumonie mit Komobiditäten, schwerer Verlauf: Amoxicillin/Clavulansäure i.v. (alternativ: Cefuroxim i.v.)
  • Diabetischer Fuß: Amoxicillin/Clavulansäure i.v. (alternativ: Cefazolin)
  • Angina tonsillaris: Penicillin G i.v. (alternativ: Cefazolin), Penicillin V oral (alternativ: Cefazolin)
  • Otitis media: Amoxicillin/Clavulansäure i.v. (alternativ: Cefazolin)

Quelle: MedUni Wien, Abteilung für Innere Medizin I


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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 /10.03.2023
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