Medizin & Wissenschaft
Schenkelhalsfraktur bei Älteren: Frühe Rehabilitation beschleunigt Rückkehr
Lesezeit: 4 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung
Erfolgt die Remobilisation bei einer Oberschenkelhalsfraktur unmittelbar nach dem operativen Eingriff, werden dadurch die Pflegebedürftigkeit sowie die Mortalitätsrate um 20 Prozent reduziert. Beginnt die geriatrische Früh-Rehabilitation in den ersten 20 Tagen postoperativ, können 80 Prozent der Betroffenen ins häusliche Umfeld zurückkehren.
Ursachen für osteoporotisch bedingte Schenkelhalsfrakturen sind in der Regel ein Sturz aus dem Stand oder ein Fall aus weniger als einem Meter Höhe. In Österreich wurden im Jahr 2018 mehr als 90.000 Fragilitätsfrakturen – unter anderem Schenkelhalsfrakturen – bei Patienten über 50 Jahren verzeichnet. Tendenz aufgrund der alternden Gesellschaft steigend: Bis 2050 rechnet man mit einem Anstieg der weltweiten Inzidenz der proximalen Femurfrakturen von 1,7 Millionen (1990) auf 6,3 Millionen.
Dehydratation und Komorbiditäten
Zum Zeitpunkt der Aufnahme im Spital sind die betroffenen Patienten häufig dehydriert, in einem schlechten Ernährungszustand, verwirrt und weisen zahlreiche Komorbiditäten auf. Die Ein-Jahres-Mortalität aufgrund von Folgekomplikationen wie Thrombosen, Delir, Harnwegsinfektionen, Pneumonien oder Druckulcera liegt zwischen 14 und 36 Prozent und damit um 18 Prozent höher als in der Allgemeinbevölkerung ohne ein derartiges Ereignis. „Multimorbide Patienten mit Frailty sind daher immer Kandidaten für eine akutgeriatrische Versorgung – ob nach einem Sturz oder anderen Akutereignissen“, betont Peter Mrak vom Landeskrankenhaus Weststeiermark. Diverse funktionelle Beeinträchtigungen führen bei jedem fünften Betroffenen innerhalb von zwei Jahren zu einer neuerlichen Fraktur. „Es reicht daher nicht aus, den älteren Patienten mit einer Fragilitätsfraktur lediglich unfallchirurgisch zu versorgen, vielmehr ist ein multidisziplinärer und interprofessioneller Ansatz gefragt“, erklärt Prof. Christian Kammerlander vom AUVA-Unfallkrankenhaus Steiermark.
Standardisierte Schmerztherapie
Ist die Diagnose gesichert, wird einerseits eine standardisierte Schmerztherapie basierend auf der Schmerzerfassung nach VAS-Score oder DoloPlus 2 eingeleitet und andererseits werden das Risikopotential und die kognitive Leistung beurteilt. „Abhängig von den Ergebnissen dieser Tests kann über den unfallchirurgischen Entscheidungspfad und die anästhesiologische Prämedikation entschieden werden“, so Kammerlander. Erfolgt der operative Eingriff in Folge innerhalb der ersten 24 Stunden, verringert sich die präoperative Liegedauer. Dadurch sinkt auch das Risiko von akuten Komplikationen und auch die Ein-Jahres-Mortalität signifikant.
Postoperative Nachsorge
Bei der postoperativen Nachsorge wiederum kommt der am Tag nach dem Eingriff stattfindenden Mobilisierung, der Osteoporosetherapie sowie dem Delir-Screening zentrale Bedeutung zu. Zwischen einem Drittel und mehr als der Hälfte der Patienten mit einer Schenkelhalsfraktur weisen kognitive Beeinträchtigungen auf. Diese können vorher bereits bestanden haben oder sich erst während des stationären Aufenthalts entwickeln. Außerdem ist in den ersten zehn Tagen postoperativ der Muskelabbau aufgrund der katabolen Stoffwechsellage besonders ausgeprägt. Mrak dazu: „Wird ein 70-Jähriger mit einer Oberschenkelhalsfraktur nicht rechtzeitig mobilisiert und liegt im Bett, verliert er in dieser Zeit so viel von seiner Kapazität und Funktionalität, als wäre er zehn Jahre älter.“ Eine rasche postoperative Remobilisation könnte den Aussagen der Experten zufolge den Pflegebedarf und auch die Mortalitätsrate um 20 bis 30 Prozent reduzieren. Eine zusätzliche Geriatrie-typische Therapie während der postoperativen Akutversorgung reduziert darüber hinaus deutlich ein neuerliches Sturzereignis in den ersten zwölf Monaten nach der Fraktur. Kammerlander rät jedoch von einer Teilbelastung bei geriatrischen Patienten nach Osteosynthesen bei Schenkelhalsfrakturen aus Angst vor Überbelastung und Repositionsverlust dringend ab. „Sie führt vor allem bei stark bewegungseingeschränkten Personen mit einer Hüftfraktur nicht zum gewünschten Erfolg, sondern kann im schlimmsten Fall die Mobilisierung sogar verzögern und die Mortalität erhöhen.“ Die Reduktion der Immobilität und Hospitalisierung seien daher primäres postoperatives Therapieziel. „Alterstrauma-Zentren mit multidisziplinären Teams können neben der frühen Mobilisierung auch das orthogeriatrische Co-Management bei der Kontrolle der Komorbiditäten und das Entlassungsmanage-ment anbieten. Ein orthogeriatrisches Co-Management in den ersten 17 bis 20 Tagen ist daher nutzbringend“, so Mrak. Als zentrales Faktum hebt Mrak hervor, dass sowohl das eigentliche Therapieziel als auch die Art und Dauer derselben mit dem Patienten „vereinbart und festgelegt“ werden müssten. Und weiter: „Dabei geht es nicht nur um die Hüftfraktur per se, sondern es muss auch die Gesamtfunktionalität berücksichtigt werden, um das selbstständige Leben im häuslichen Umfeld wieder zu ermöglichen.“ Die Rückführungsrate ins häusliche Umfeld nach einem Aufenthalt in einem Alterstrauma-Zentrum liegt laut Mrak bei 80 Prozent.
Zwei Pfeiler der Sekundärprävention
Die Sekundärprävention beruht auf zwei Pfeilern: Sturz-Assessment und Osteoporosetherapie. Letztere erhalten nur etwa 16 Prozent aller weiblichen und lediglich vier Prozent aller männlichen Patienten mit Osteoporose. Sie sollte spätestens während der primären Behandlung im Akutspital initiiert werden, wodurch „die Compliance signifikant erhöht werden kann“, wie Kammerlander betont. Beschränkungen gäbe es nur bei der parenteralen Gabe von Bisphosphonaten. „Hier muss ein Abstand von mindestens zwei Wochen zur Fraktur eingehalten werden“, so der Experte. Um das Auftreten oder die Progredienz einer Sarkopenie zu vermeiden, sollte im Rahmen der Alterstraumatologie auch für eine ausreichende Gabe von Kalzium und Vitamin D3 gesorgt werden. (MCW)
Auf einen Blick
- Die häufigsten Ursachen von osteoporotischen Schenkelhalsfrakturen sind ein Sturz aus dem Stehen oder ein Fall aus weniger als einem Meter Höhe. Die Folgen: lange stationäre Aufenthalte, Verlust der Selbstständigkeit und erhöhter Pflegebedarf.
- Zusätzlich zur unfallchirurgischen Versorgung ist ein multidisziplinärer und interpersoneller Ansatz gefragt.
- Um die präoperative Liegedauer – und damit akute Komplikationen und Mortalität – zu reduzieren, sollte der Eingriff innerhalb von 24 Stunden nach der Fraktur erfolgen.
- Postoperativ steht die rasche Mobilisierung der Patienten im Zentrum, wobei die Teilbelastung nicht empfohlen wird.
- Zur Sekundärprävention zählen die medikamentöse Therapie der Osteoporose sowie das Sturz-Assessment.
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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 /25.06.2023
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