Medizin & Wissenschaft

So deeskalieren Sie Konflikte im Praxisalltag

Lesezeit: 3 Minuten Quelle: Praxiswelt

Wie Sie den Umgang mit streitlustigen Patienten souverän meistern

Die Patientin steht fingertrommelnd vor der Rezeption, sie wünscht einen Termin, und zwar sofort. Jetzt ist der Stress vorprogrammiert, der Terminkalender der Praxis ist voll. Es besteht keine Chance, die Patientin dazwischen zu schieben. Der Puls der Praxismitarbeiterin beschleunigt sich. Sie ahnt was jetzt kommt. Die Patientin ist sauer und Ihre Mitarbeiterin bekommt es ab.
Es wird laut diskutiert, die Patientin bekommt keinen Termin, die Praxismitarbeiterin kommt mit ihrer Arbeit nicht weiter und am Ende sind beide Seiten frustriert.

Ärzte und Praxismitarbeiter werden immer wieder mit Konflikten konfrontiert, die spontan bewältigt werden müssen. In diesem Beitrag stellen wir Ihnen ein bewährtes Modell vor, mit dem Ihnen das im Arbeitsalltag und auch in privaten Situationen besser gelingt.

 

Konflikte deeskalieren mit dem CALM-Modell1

Der Name dieses Modells klingt schon sehr treffend, jedoch kommt der Name nicht vom englischen calm down (beruhigen), sondern steht für die Anfangsbuchstaben der vier Stufen zur Deeskalation: Contact, Appoint, Look ahead, Make a decision). Das CALM-Model wurde von M. Rosenberg entwickelt und bietet einen systematischen Ansatz solche Konflikte zu lösen, die von Nichtkooperation geprägt sind. Das Modell eignet sich immer, wenn statt gemeinsamer Lösungen nur Reibungspunkte gesucht werden. Es soll Ihnen helfen, die Kooperationsbereitschaft in Ihrem Gegenüber zu erwecken. Selten müssen alle Register gezogen werden, denn schon die erste Stufe kann die Wogen schnell glätten und ein lösungsorientiertes Gespräch ermöglichen. Falls nicht, rücken Sie einfach zur Stufe zwei vor.

 

C- Contact

Lassen Sie sich von der Aggressivität nicht anstecken, sondern bleiben Sie ruhig und sachlich. Gehen Sie mit Ihrem Gegenüber in Resonanz und zeigen Sie im, dass Sie sein Anliegen ernst nehmen und die Schwierigkeit anerkennen. Seien Sie freundlich und zugewandt – nicht nur mit Ihren Worten, sondern auch mit einer offenen Körperhaltung, die keine Barrieren aufbaut.
Spielen Sie die Situation nicht herunter mit Sätzen wie „Das ist doch nicht so schlimm“ oder „Andere Patienten müssen auch warten“, damit gießen Sie nur Öl ins Feuer. Klüger ist es, die Emotionen des Patienten wie eine Welle auslaufen zu lassen. Folgende Sätze können die ersten Wogen glätten:
„Ich verstehe, dass Sie gerne einen Termin hätten und ich würde Ihnen auch gerne einen anbieten.“
„Ich verstehe, dass Sie das in Ihrer Situation belastet.“

Falls Fehler passiert sind, räumen Sie diese ein.

„Da scheint etwas schief gelaufen zu sein.“
„Entschuldigung, da habe ich mich missverständlich ausgedrückt“
Wenn für den Patienten durch Ihre Schuld Unannehmlichkeiten entstanden sind, sollten Sie die Zusammenhänge erläutern. „Der Laborbericht ist leider nicht pünktlich angekommen, daher verlängert sich die Wartezeit“

 

A-Appoint

Appoint meint so viel wie aktives Zuhören oder das konkrete Benennen dessen, was Sie beim Patienten wahrnehmen und welche Emotion sie hinter den Aggressionen vermuten. Damit zeigen Sie dem Patienten, dass Sie Ihn wirklich sehen, verstehen und ernst nehmen.

  • „Ich sehe, wie wütend/verärgert/enttäuscht Sie sind“.
  • Jetzt kann es gut sein, dass der Patient noch mal ausholt und seinen Ärger bekräftigt. Halten Sie das zunächst aus und sprechen Sie dann das dahinter liegende Problem an.
  • „Ich habe den Eindruck, dass Sie sich große Sorgen machen, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte.“
  • „Ich kann mir vorstellen, dass die bevorstehende Operation Ihnen Angst macht.“

Wenn sich ein Mensch auf diese Weise gesehen und angenommen fühlt, beruhigt sich das Gemüt in den meisten Fällen recht schnell man kann gemeinsam nach einer Lösung schauen.
Verbale Entgleisungen müssen Sie niemals dulden. Sprechen Sie diese an und setzen Sie klare Grenzen.


L-Look ahead

Falls der Patient immer noch nicht besänftigt ist und weiter wettert, sollten Sie das mögliche weitere Vorgehen und ihre Spielregeln klären. Es kann auch Sinn machen, das Patienten-Arzt/Praxis-Verhältnis noch einmal zu betonen und auf das Ziel Ihrer Kooperation hinzuweisen.

  • „Als Ihr Arzt/ Als Ihre Ansprechpartnerin möchte ich Sie gerne weiterhin bei Ihrer Genesung unterstützen. Das gelingt am besten, wenn wir eine Vertrauensbasis haben und freundlich und konstruktiv sprechen. Ich biete Ihnen an, dass Sie einen Spaziergang machen und dann wiederkommen, wenn Sie das möchten.“
  • „Ich spüre deutlich, dass Sie immer noch wütend sind. Jetzt stellt sich dennoch die Frage, wie wir weitermachen können. Ich kann Ihnen anbieten, dass …“

Wenn das immer noch keine Früchte trägt und der Patient nicht in den Kooperationsmodus zu bewegen ist, gehen Sie zu der letzten Stufe über.

 

M-Make a decision

Als letzte Option sollten Sie den Schlussstrich ziehen und eine Lösung anbieten, die der Patient entweder akzeptiert kann oder nicht. Machen Sie deutlich, dass Sie nur diese Möglichkeit gibt, oder der Patient eine andere Praxis aufsuchen muss. Es kann zudem helfen, wenn Sie eine Bedenkzeit anbieten.

  • „Ich mache Ihnen den folgenden Vorschlag: …. Sind Sie damit einverstanden?“
  • „Ich stelle fest, dass unser Gespräch zu keinem Ergebnis führt. Schlafen Sie noch einmal darüber und lassen Sie mich in den nächsten Tagen wissen, wie Sie sich entschieden haben.“
  • „Ich merke, wir kommen an dieser Stelle nicht weiter. Ich biete Ihnen wie gesagt gerne an …. Sie müssen aber entscheiden, ob Sie das möchten. Vielleicht schlafen Sie noch einmal darüber.“

Das CALM-Modell ist nicht in Stein gemeißelt, sondern soll Ihnen Kommunikationswege anbieten, die Sie flexibel und situationsbezogen einsetzen können. Immer dran denken: Mit innerer Ruhe und Gelassenheit geling Deeskalation am erfolgreichsten. Wie Sie dahin kommen, erfahren Sie in unserem Beitrag „Meditation – wie wir Herr über unsere Gedanken werden“. Lesen sie rein, es lohnt sich.

 

1 Schweickhardt A, Fritzsche K. Kursbuch ärztliche Kommunikation. Grundlagen und Fallbeispiele aus Klinik und Praxis.3. Aufl. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag; 2017.


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