Medizin & Wissenschaft

Skabies: Die Zahlen steigen

Lesezeit: 4 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung

Bei neu auftretendem Juckreiz – vor allem nachts – sollte man jedenfalls an Skabies denken. Auch wenn es keine offiziellen Zahlen gibt: Experten orten nach den Pandemiebedingten Einschränkungen steigende Tendenz bei der Zahl der Erkrankungen.

von Martin Schiller


Das klinische Bild der von Sarcoptes scabiei var. hominis ausgelösten Erkrankung ist von starkem, neu auftretendem Juckreiz gekennzeichnet, der vor allem nachts auftritt. Begünstigt wird das durch Wärme, wie sie etwa unter der Bettdecke vorherrscht. Je nach betroffener Altersgruppe zeigten sich Unterschiede bezüglich der betroffenen Hautareale, wie Assoc. Prof. Alessandra Handisurya von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie an der Medizinischen Universität Wien erklärt: „Erwachsene weisen typischerweise rote Papeln an Arealen mit dünner Haut auf. Klassisch sind die Interdigitalräume, der Brustbereich, der Bauchnabelbereich und der Genitalbereich.“ Im Gegensatz zu Erwachsenen sind bei Säuglingen auch Kopf, Handflächen und Fußsohlen betroffen.

Immunsupprimierte Patienten können an der (seltenen) Sonderform Skabies crustosa (ehemals Skabies norvegica) erkranken, bei der sich die Skabies-Milben explosionsartig vermehren und die daher hoch infektiös ist. Univ. Doz. Regina Fink-Puches von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie an der Medizinischen Universität Graz beschreibt das klinische Bild: „Schmutzig-braune Krusten befinden sich oftmals symmetrisch an Ellbogen und Knien. Es kann auch überall zu Rötungen und Schuppungen kommen. Es besteht auch kaum Juckreiz, weshalb der Verdacht nicht immer sofort auf Skabies fällt.“ Gesichert wird die Diagnose durch den mikroskopischen Milben-Nachweis. „Erkennt man allerdings mit dem Dermatoskop kleine, zum Teil gewundene Gänge mit winzigen typisch dreieckigen dunklen Arealen – entsprechend dem Kopf- und Brustschild der Milbe –, dann ist dies für die Diagnose wegweisend“, sagt Fink-Puches.

Fink-Puches verweist auch auf eine Skabies Form, die zunächst ein eher unauffälliges Bild bietet: „Die ‚gepflegte Skabies‘. Sie tritt bei Personen mit einer sehr ausgiebigen – manchmal auch übertriebenen – Körperhygiene auf. Hier bietet sich den Milben wenig Chance, sich zu vermehren und die Patienten weisen auch kaum Hautveränderungen und nur einzelne Papeln auf, aber ein Milbenbefall ist vorhanden.“ Hellhörig müsse man diesbezüglich bei plötzlich auftretendem nächtlichen Juckreiz werden.

Offizielle Fallzahlen zu Skabies gibt es nicht, da keine Meldepflicht besteht. Dennoch: Den Beobachtungen der beiden Expertinnen zufolge hat das Auftreten mit der Wiederaufnahme der Mobilität und der sozialen Aktivitäten nach der Pandemie-bedingten Beschränkung wieder zugenommen.

Neurodermitis stellt eine Differentialdiagnose von Skabies dar. Handisurya nennt die Unterscheidungsmerkmale: „Die Prädilektionsstellen und der starke Juckreiz sind bei Skabies markant. Auch bei Papeln zwischen den Fingern ist es eher Skabies.“ Neben dem Erkennen von Milbengängen, des Brustpanzers oder der Milbeneier via Auflichtmikroskopie könne zur Diagnose auch über die Papeln geschabt werden. Unter dem Mikroskop werden im Haut-Geschabsel die Milben sichtbar. Ebenso kann Pseudo-Krätze vorliegen, bei der es zu Besiedelung mit Milben von Haustieren kommt. „Diese Form sieht ähnlich aus wie die humane Skabies und ist ebenfalls durch Juckreiz gekennzeichnet. Sie klingt aber von selbst ab, weil der Mensch nicht der passende Wirt für diese Milbenarten ist“, erklärt Handisurya.

Goldstandard für die Lokaltherapie der Skabies ist Permethrin 5 % für Erwachsene und Kinder ab einem Körpergewicht von 15 Kilogramm beziehungsweise ab dem dritten Lebensmonat. Die Creme wird am Tag Null und am Tag sieben lückenlos unterhalb des Kinns auf alle Körperstellen aufgetragen. In Österreich erfolge gemäß der Empfehlung der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV), wie Handisurya erklärt, routinemäßig eine Kombinationstherapie mit Ivermectin (systemisch). Und weiter: „Übersieht man beim Eincremen eine Stelle auf dem Körper, kann es sein, dass nicht alle Milben abgetötet werden und die Therapie nicht anschlägt. Daher gibt es die Empfehlung zusätzlich Ivermectin einzunehmen.“ Da Ivermectin aber nur gegen erwachsene Milben, nicht gegen die Eier und Larven wirkt, ist eine wiederholte Einnahme notwendig. „Durch die Kombination ist ein Therapieversagen unwahrscheinlich“, konstatiert Handisurya.

Permethrin-Sensitivität sinkt

Wie sieht Handisurya die in einigen Publikationen erwähnte mögliche Resistenz gegen Permethrin? „Eine 100-prozentige Resistenz besteht nicht, aber wir beobachten, dass Krätzmilben heute länger in Permethrin überleben. Wir können nach wie vor erfolgreich therapieren, aber die Behandlung dauert in manchen Fällen länger und erfordert eine häufigere Anwendung.“ Handisurya hat mit Kollegen der Medizinischen Universität Wien Milben von betroffenen Patienten gesammelt, die Milben-DNA isoliert und sequenziert. Dabei wurde eine Mutation im spannungsabhängigen Natriumkanal (VSSC) der Milben entdeckt, die bereits bei anderen Arthropoden mit einer sogenannten Knockdown-Resistenz gegenüber Permethrin assoziiert wurde. Die Forscher liefern damit eine mögliche Erklärung für die abnehmende Permethrin-Sensitivität. Ein Fazit der Studie: Diese Sensitivität könnte häufiger vorliegen als bisher angenommen und die Therapieantwort entscheidend beeinflussen.

Lokaltherapie mit Benzylbenzoat

Die zweite Möglichkeit der Lokaltherapie stellt Benzylbenzoat dar: 10 % für Kinder bis zwölf Jahre, 25 % ab zwölf Jahren. Der Wirkstoff kann ab dem vollendeten ersten Lebensjahr verwendet werden und wird an drei aufeinanderfolgenden Tagen aufgetragen. Handisurya über die Nachteile und Vorteile: „Erst am vierten Tag dürfen die Patienten wieder duschen, wodurch die Compliance beeinträchtigt sein kann. Benzylbenzoat kann etwas auf der Haut brennen, worauf man die Patienten vorbereiten sollte. Aber es handelt sich um eine sehr gut wirksame Therapieoption, zu der auch bald neue vielversprechende Studiendaten zu erwarten sind.“ Fink-Puches stuft Benzylbenzoat derzeit als gut wirksame Alternative ein: „Entsprechende Präparate sollten dann angewendet werden, wenn der Patient auf andere Therapien noch nicht angesprochen hat.“

Eine weitere Option für die topische Therapie ist Crotamiton. „Laut Studienlage ist die Wirksamkeit nicht so gut wie bei den beiden anderen topischen Präparaten, bietet aber den Vorteil, dass es für Crotamiton keine Altersbeschränkung gibt“, sagt Handisurya.

Damit die Therapie erfolgreich ist, müssen stets alle im Haushalt lebenden Personen mitbehandelt werden. „Bei der Erstentwicklung einer Skabies dauert es bis zu fünf Wochen, bis Papeln auftreten. Auch wenn der Partner im Haushalt also noch keine Papeln aufweist, liegt aller Wahrscheinlichkeit nach schon ein Milbenbefall vor. Ohne lückenlose Mitbehandlung kommt die Infektion zurück“, betont Handisurya. Auch andere soziale Kontakte wie Besuche bei den Großeltern oder Übernachtungen von Kindern bei Freunden müssten mitbedacht werden.

Hürden für Therapieerfolge

Fink-Puches verweist auf Faktoren, die den Therapieerfolg gefährden können und Schulung des Patienten erfordern: „Dazu zählt eine ungenaue Behandlung, etwa, wenn nicht alle Körperstellen vollständig eingecremt wurden. Jede Körperfalte muss erfasst werden, man darf die Fingernägel nicht vergessen und auch der Genitalbereich wird nicht immer zur Gänze erfasst.“ Auch bezeichnet sie es als „Herausforderung“, alle Haushaltsmitglieder zur gleichen Zeit lückenlos zu behandeln; viel Aufklärung sei nötig.

Auch begleitende Maßnahmen im Wohnbereich sind erforderlich. Dazu zählt das Waschen der Kleidung (vor allem der Unterwäsche), der Handtücher und der Bettwäsche bei mindestens 60 Grad. Alles sollte gut getrocknet werden. „Was nicht für eine 60 Grad-Wäsche geeignet ist, packt man am besten für einige Tage in Plastiksäcke und schließt es luftdicht ab. Ohne Wirt sterben die Milben nach ein paar Tagen ab“, sagt Fink-Puches. Dies gelte zum Beispiel für Plüschtiere. Polstermöbel und Teppiche müssen abgesaugt und der Beutel danach entsorgt werden, Matratzen sollten abgeklopft werden. Bei Sofas und Teppichen können laut Handisurya auch Pyrethroid-haltige Insektizide zum Einsatz kommen: „Nach dem Einsprühen ist eine Einwirkzeit von mehreren Minuten notwendig. Danach werden die Bereiche abgesaugt und der Beutel entsorgt.“ Sind Katzen im Haushalt, können diese Insektizide nicht eingesetzt werden, da sie toxisch für sie sind. Bei der Reinigung darf nicht auf Kinderwägen vergessen werden, ebenso auch auf Schuhe. Die Wäsche im Winter im Freien aufzuhängen, reicht laut Fink-Puches in der Regel nicht aus: „Um Milben abzutöten, bräuchte es konstant minus 20 bis minus 25 Grad. Das ist selten realistisch.“ Auch vom Einfrieren bestimmter Gegenstände raten sowohl Fink-Puches als auch Handisurya ab.

Bei einer lückenlosen Behandlung könnten Kinder theoretisch bereits am Tag danach wieder Schule oder Kindergarten besuchen und Erwachsene zur Arbeit gehen. Fink-Puches rät aber zur Zurückhaltung: „Die Rückkehr an die Arbeitsstätte oder Betreuungseinrichtung erfolgt am besten erst nach einer Woche, wenn auch die zweite Behandlung abgeschlossen ist.“ Handisurya pflichtet bei: „Die Milben brauchen manchmal drei Tage, um abzusterben. Ich rate daher ebenfalls, zuzuwarten.“ Der Juckreiz kann auch mehrere Wochen nach der Therapie noch anhalten. Sollte es zum postskabiösen Ekzem kommen, sind topische Steroide zur Behandlung geeignet.


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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 /25.10.2023
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