Medizin & Wissenschaft

Hauterkrankungen und Psyche: Wechselspiel

Lesezeit: 3 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung

Das Gefühl, einer chronischen Hauterkrankung ausgeliefert zu sein, ist einer der Gründe für die begleitenden psychischen Symptome wie etwa Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Anspannung oder Unruhe. Jedoch kann eine chronische Hauterkrankung eine psychische Symptomatik auch auf biologische Weise auslösen.

von Martin Schiller

 

Veränderungen der Haut sind häufig mit psychischen Veränderungen oder Beeinträchtigungen verbunden. „Die Belastung durch die Symptome – etwa, weil die Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist – kann eine weitere Verschlechterung des psychischen Zustandes triggern, infolge dessen eine Verstärkung des dermatologischen Krankheitsbildes möglich ist“, erklärt Univ. Prof. Eva Reininghaus von der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an der Medizinischen Universität Graz, den Mechanismus. Auch sozialer Rückzug beziehungsweise reduzierte Sozialkontakte können durch Hauterkrankungen ausgelöste psychische Symptome sein. „Wenn Betroffene nicht mehr aus dem Haus gehen möchten, wenig Perspektive sehen und an einer deutlichen Verschlechterung der Hautkrankheit leiden, die ungenügend auf Therapie anspricht, sind das Warnzeichen, die einer weiteren Abklärung bedürfen“, sagt Reininghaus. Leidet ein Patient mit einer chronisch-entzündlichen Hauterkrankung an Stress-Symptomen, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, vermehrter körperlicher Erschöpfung, Anspannung oder Unruhe, könnte das der Beginn eines Circulus vitiosus sein.

Depressive Verstimmungen und Angst gehäuft

Univ. Prof. Barbara Sperner-Unterweger von der Universitätsklinik für Psychiatrie II an der Medizinischen Universität Innsbruck nennt die beiden psychischen Hauptsymptome, die als Folge einer Hauterkrankung auftreten: „Depressive Verstimmungen und Angstzustände treten bei chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen gehäuft auf. Meistens ist aber das Vollbild einer psychiatrischen Diagnose nicht erreicht.“ So habe etwa die depressive Symptomatik bei vielen Patienten nicht den Schweregrad einer Depression. „Häufig kommt es zu einer Subthreshold-Symptomatik, die aber für den Patienten ebenfalls sehr beeinträchtigend ist, vor allem wenn man den Aspekt der Chronizität bedenkt.“

Außerdem zeigten viele Symptome von chronischen Hauterkrankungen einen Overlap mit der ängstlichen oder depressiven Symptomatik, wodurch die Zuordnung manchmal schwierig sei. „Ideal wäre daher ein Screening auf psychische Belastungen und Lebensqualität mit Fragebögen, die speziell für den Zusammenhang mit Hauterkrankungen konzipiert wurden“, betont Sperner-Unterweger.

Psychische Symptome durch Medikamente

Psychische Beschwerden im Rahmen einer dermatologischen Erkrankung können auch durch Medikamente bedingt sein. „Der Einsatz von Immunsuppressiva oder anderen Immunmodulatoren kann psychische Symptome hervorrufen. Beispielsweise sind Therapien mit Kortison häufig mit Stimmungsschwankungen assoziiert“, sagt Eva Reininghaus. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten von psychischen Beschwerden und der Einnahme eines Arzneimittels sei daher immer individuell abzuklären. „Einige Immunmodulatoren können sich zudem positiv auf die psychische Gesundheit auswirken“, so Reininghaus weiter.

Das Gefühl, einer chronischen Hauterkrankung ausgeliefert zu sein, ist einer der Gründe für die begleitenden psychischen Symptome. Hinzu kommen mentale Belastungen durch Juckreiz, Schamgefühle und die Angst vor einer sozialen Stigmatisierung, da viele Menschen Hautkrankheiten mit mangelnder Hygiene oder Ansteckungsgefahr verbinden. Viele Betroffene haben Angst, sich auf nähere persönliche Kontakte einzulassen. „Auch in der Partnerschaft kann es zu Problemen kommen, etwa, wenn bei Psoriasis die Intimregion betroffen ist“, sagt Reininghaus. Sperner-Unterweger verweist auf eine weitere Folge, die eine chronisch-entzündliche Erkrankung mit sich bringen kann: „Depressive Reaktionen treten bei niedriggradigen Entzündungen vermehrt auf. Die Hauterkrankung löst also Symptome wie Stimmungsveränderungen auch auf biologische Weise aus.“ Reininghaus ergänzt, dass auch bei psychischen Erkrankungen chronische Entzündungsprozesse im Körper ablaufen: „Man geht daher davon aus, dass sich Inflammation von Hauterkrankung und depressiver Symptomatik wechselseitig beeinflussen.“

Beide Expertinnen heben den Stellenwert der Psychoedukation bei einer chronisch entzündlichen Hauterkrankung hervor. Sperner-Unterweger dazu: „Wichtig ist schon nach der Diagnose zu vermitteln, dass Ängste oder Verstimmungen bei derartigen Erkrankungen auftreten können und ein chronisch-entzündlicher Verlauf schon aus biologischen Gründen die Psyche beeinträchtigt. Das Wissen um diese Zusammenhänge entlastet die Betroffenen. Es wird eine gemeinsame Wirklichkeit geschaffen und der Patient bekommt das Gefühl, dass er mit seiner gesamten Erkrankung wahrgenommen wird.“

Für Patientinnen und Patienten ist es einfacher, wenn der behandelnde Arzt das Thema Psyche im Lauf der Therapie anspricht, wie Reininghaus erläutert. „Betroffene teilen sich diesbezüglich meist ungern mit. Viele haben auch das Gefühl, es dürfe und könne nicht sein, dass zusätzlich zur Hauterkrankung nun auch eine psychische Symptomatik auftritt.“ Daher sei es wichtig, gezielt nachzufragen: Wird regelmäßig außer Haus gegangen? Bestehen aktuell gute Sozialkontakte? Wie läuft es in der Partnerschaft? Hat sich die Stimmung verändert? Ist man so stark belastet, dass selbstgefährdende Maßnahmen in Betracht gezogen werden? „Diese Aspekte werden selten von selbst angesprochen, erst die Nachfrage und ausreichend Zeit für diese Themen fördern das Redebedürfnis“, erklärt Reininghaus.

Antidepressiva nach Symptomausprägung

Die Entscheidung für eine medikamentöse Therapie der psychischen Beschwerden hängt laut Sperner-Unterweger von der Ausprägung der Symptomatik, vom Leidensdruck des Patienten und von seiner Bereitschaft ab, zusätzlich zur Therapie der Hautkrankheit ein weiteres Arzneimittel einzunehmen. Die Expertin nennt ein Beispiel für einen gezielten Einsatz: „Bestehen neben der depressiven Verstimmung auch Schlafstörungen, können mit Mirtazapin oder Trazodon Antidepressiva eingesetzt werden, die auch den Schlaf fördern. Damit ergibt sich eine zweifache therapeutische Beeinflussung durch ein einziges Arzneimittel.“ Reininghaus verweist auf Verbesserungen, die mit SSRI bei depressiven Verstimmungen erzielt werden können. Außerdem zeige diese Substanzgruppe kaum Interaktionen. „Das ist ein wesentlicher Vorteil bei Therapie mit Immunmodulatoren, die für viele Interaktionen sorgen. Insgesamt sollte man aber vor Therapiebeginn etwaige Wechselwirkungen überprüfen.“


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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 /25.10.2023
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