Medizin & Wissenschaft
Osteomyelitis: Bildgebung als Verlaufskontrolle
Lesezeit: 5 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung
80 Prozent aller Osteomyelitiden treten nach einem Trauma auf – etwa nach einer offenen Fraktur. Da es sich um eine „deep-seated-infection“ handelt, kann sie nicht nach systemischen Inflammationswerten gesteuert werden. Besser für die Verlaufskontrolle geeignet ist die Bildgebung. Und auch nach einer ausgeheilten Osteomyelitis bleibt das MRT noch monatelang oder sogar jahrelang positiv.
von Julia Fleiß
Schmerzen, Schwellung und unter Umständen ein Ulkus, das sich von innen heraus entwickelt oder Ulcera, die Knochen freilegen“, führt Priv. Doz. Matthias Vossen von der interdisziplinären Osteomyelitis-Ambulanz am Allgemeinen Krankenhaus Wien als erkennbare Symptomatik für eine Osteomyelitis an. 80 Prozent aller Osteomyelitiden – sie sind meist bakteriell bedingt – treten laut Vossen nach Traumen wie einer offenen Fraktur, einer penetrierenden Verletzung oder postoperativ auf. Nur 20 Prozent aller Osteomyelitiden entwickeln sich hämatogen. Bei dieser endogenen Form der Entzündung werden die Keime von einem Infektionsherd außerhalb des Knochens über den Blutweg in das Knochenmark eingeschwemmt. „Am häufigsten entsteht diese Form der Osteomyelitis bei Bakteriämien mit Staphylococcus aureus, Streptokokken oder selten auch Enterobacteriaceae“, erklärt Vossen. Meistens handelt es sich in diesen Fällen um die Sonderform der „Spondylodiszitis“. Diese Osteomyelitis der Wirbelsäule „tritt am häufigsten bei Kindern und alten Patienten auf“, so der Experte.
Risikogruppe Diabetiker
Typischerweise kommt es zur Osteomyelitis an Füßen und Beinen. „Diabetiker mit einer deutlichen Polyneuropathie bemerken ein Bagatell-Trauma an den Füßen oft nicht“, erklärt Vossen. Deshalb sollte der Allgemeinmediziner seine Diabetes-Patienten auffordern, täglich am Abend die Füße im Hinblick auf allfällige Wunden zu kontrollieren. Verschlimmern sich die Wunden, kann es – unbemerkt – zur Osteomyelitis kommen. Mögliche Anzeichen dafür sind: tiefe Wunden, Fistelbildung oder die Vorfußphlegmone, die sich über mehrere Kompartimente ausbreitet. „Wenn Weichteilinfekte zunächst sehr gut auf Antibiotika ansprechen, um dann sofort nach dem Absetzen zurückzukommen, ist das suspekt auf das Vorliegen einer Osteomyelitis. Bei tiefen Wunden ist ein Probe-to-Bone-Test indiziert.“ Dabei wird die Wunde mit einer sterilen Sonde exploriert, um zu erkennen, ob sie bis an den Knochen reicht. Laut Vossen ist ein positiver Probe-to-Bone-Test „fast beweisend für eine Osteomyelitis“. Aber: Ein negativer Test schließt eine Osteomyelitis nicht völlig aus.
Erste Untersuchungsmethode ist laut Assoz. Priv. Doz. Mathias Glehr von der Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie an der Medizinischen Universität Graz das Röntgen. Beweisend für das Vorliegen einer Osteomyelitis ist eine sichtbare Unterbrechung der Corticalis. Vossen ergänzt: „Im MRT sieht man bei einer Osteomyelitis ein Ödem im Knochenmark“. Und er warnt: „Das MRT bleibt auch nach der geheilten Osteomyelitis monate- bis jahrelang positiv.“
Chirurgische Sanierung am sichersten
Vossen und Glehr sind sich einig, dass der operative Eingriff die sicherste Art der Osteomyelitis-Behandlung ist, wobei Glehr folgende Behandlungsmethode favorisiert: „Man setzt heute biologische Trägersubstanzen wie resorbierbaren Zement oder Eigenknochen ein, die mit Antibiotika imprägniert sind.“ Eine der „wichtigsten Errungenschaften“ in der Orthopädie in den vergangenen fünf bis zehn Jahren, sagt Glehr. Die Methode basiert auf der Einführung von antibiotikahaltigem Polymethylmethacrylat (PMMA)-Knochenzement zur Verringerung der Rate an periprothetischen Infektionen Ende der 1960er Jahre. „Der Einsatz von PMMA-Zement als lokaler Antibiotikaträger zur Infektprophylaxe und Infekttherapie hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre etabliert“, versichert Glehr. Demnach konnten in großen Studien Erfolgsraten von 90 Prozent erzielt werden. Zunächst wird ein Débridement durchgeführt. Der entstandene Hohlraum wird mit den Antibiotika-imprägnierten Substanzen gefüllt. „Anders als bei der i.v.-Gabe von Antibiotika werden die Keime so lokal in situ bekämpft“, so Glehr. Prinzipiell kann diese Methode bei allen Knochen eingesetzt werden – außer bei der Wirbelsäule. Bei der Spondylodiszitis kann ein konservativer Therapieversuch eine Option darstellen.
Auch bei Kindern und Jugendlichen sieht Glehr deutlich höhere Erfolgschancen der konservativen Behandlung mit Antibiotika. Der Grund: Das Immunsystem ist intakt. Das gilt auch für eine initiale Osteomyelitis, wenn sich noch kein bakterieller Biofilm gebildet hat. Vossen führt weitere Gründe für den Beginn einer konservativen Therapie an: „Viele Menschen mit einer Osteomyelitis können aufgrund von Begleiterkrankungen nicht ohne Risiko operiert werden oder man kann Probleme bei der postoperativen Wundheilung erwarten.“
Vossen empfiehlt die chirurgische Sanierung eher bei größeren Röhrenknochen. Er kennt die Präferenz der meisten Patienten, die konservative Antibiotika-Therapie zumindest zu versuchen. Als problematisch erweist sich dabei die oftmals geringe Knochengängigkeit von vielen systemisch eingesetzten Antibiotika. „Welches Antibiotikum man verabreicht, hängt vom Keimspektrum ab“, erklärt der Spezialist. Im niedergelassenen Bereich sind laut Vossen für die orale Gabe Cefalexin, Amoxicillin/Clavulansäure oder Fusidinsäure geeignet. Intravenös im Spitalsbereich werden unter Abwägung von Nebenwirkungsrisiko und Wirkung am ehesten Beta-Laktame, teilweise in Kombination mit Fosfomycin verwendet. Vossen dazu: „Osteomyelitis ist eine ‚deep-seated-infection‘ und kann somit nicht nach systemischen Inflammationswerten gesteuert werden.“ Besser zur Verlaufskontrolle geeignet ist die Bildgebung. Etwa alle sechs Wochen sollte man die Veränderungen des Knochens durch die Antibiotikatherapie kontrollieren. Als den „größten Fehler“ bei der konservativen Therapie der Osteomyelitis bezeichnet Vossen die Tatsache, „das Antibiotikum abzusetzen, bevor die Bildgebung sauber ist.“ Auch Glehr bestätigt, dass die konservative Therapie langwierig ist. Eine weiter Alternative: Bei einem minimalinvasiven Eingriff ohne Narkose kann eine künstliche Fistel zwischen Außenwelt und dem Knocheninneren eingesetzt werden. Damit werden Keime aus dem Körper geleitet – lebenslang.
Bei Personen, die an Diabetes mellitus leiden, ist Osteomyelitis immer noch einer der häufigsten Gründe dafür, weshalb die Amputation einer Zehe oder des gesamten Fußes notwendig ist. „Auf eine kleine Zehe kann man vergleichsweise gut verzichten. Daher rate ich meinen Patienten meist zur sichersten aller Behandlungsmethoden – der Amputation.“ Wichtig ist dabei eine ausreichende Länge der Resektionsränder. „Sonst ist selbst nach einer Amputation die weitere Ausbreitung der Osteomyelitis nicht ausgeschlossen“, berichtet Vossen aus der Praxis
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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 /10.05.2023
Unsplash #orFHTN5BBtM Urheber: Lucas Sankey
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