Medizin & Wissenschaft

Endometriose: Nicht eindeutig

Lesezeit: 3 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung

Da es kein pathognomonisches Symptom gibt, das eindeutig auf Endometriose hinweist, wird die Erkrankung nach wie vor spät diagnostiziert. Auch findet man bei 50 Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch eine Endometriose.

von Julia Fleiß

Mit der Tatsache, dass es „kein pathognomonisches Symptom gibt, das eindeutig auf eine Endometriose hinweist“, erklärt Univ. Prof. René Wenzl vom Endometriosezentrum der Medizinischen Universität Wien die niedrige Diagnoserate dieser Erkrankung.

„Endometriose beginnt oft mit starken Schmerzen während der Periode. Wenn die Krankheit fortschreitet und sich Herde außerhalb der Gebärmutter bilden, haben Betroffene auch abseits der Periode Schmerzen und bringen sie oft nicht mehr mit dem Zyklus in Verbindung“, schildert Univ. Prof. Peter Oppelt, MBA vom Endometriosezentrum am Kepler Universitätsklinikum Linz. Klassische Beschwerden sind der Blähbauch und extrem starke Perioden. Für die Diagnose reichen bei 90 Prozent aller Patientinnen Anamnese, die gynäkologische Tastuntersuchung und eine Sonographie des Bauchraums. „Drei von vier Endometriosearten kann der Experte im Ultraschall erkennen“, versichert Wenzl. Sind dabei keine Zyste am Eierstock, keine tiefinfiltrierende Endometriose oder Adenomyose sichtbar, kann eine peritoneale Endometriose laparoskopisch diagnostiziert und behandelt werden. Dies gilt für rund ein Drittel der Patientinnen, die mit entsprechenden Symptomen zum Arzt kommen. Wenzl weist auch auf zahlreiche symptomfreie Betroffene hin: „Man findet auch bei vielen asymptomatischen Frauen kleine Veränderungen. Diese sind aber klinisch nicht relevant.“

Wenzl empfiehlt, die Lebensqualität der Patientin als Maßstab für die Behandlung zu nehmen: „Es gibt Betroffene, die aufgrund ihrer Schmerzen nicht arbeitsfähig sind. Ziel ist es, der Patientin mit möglichst einfachen Mitteln die Kontrolle über ihr Leben zurückzugeben, ohne dass sie ständig an eine Behandlung oder an operative Eingriffe denken muss.“ Daher wird eine multimodale Therapie angeboten, die von Schmerztherapie über Ernährungsempfehlungen bis hin zur Akupunktur reichen. „Wenn man mit Schmerzmitteln während der Periode keine signifikante Besserung erreicht, kann die Verschreibung einer Antibabypille im Langzyklus oder der Einsatz einer Hormonspirale vielen Frauen sehr gut helfen“, berichtet Oppelt. Bei schweren Endometriose-Fällen empfiehlt er jedenfalls, die Betroffene an ein Spezialzentrum zu überweisen.

Auch wenn es verschiedene – noch immer nicht bewiesene – Theorien gibt, wisse man noch immer nichts Genaues über die Entstehung der Endometriose, räumt Oppelt ein. „Fakt ist, dass wir Zellen, die dem Endometrium ähneln, außerhalb der Gebärmutter finden.“ Diese senden Botenstoffe aus, die Schmerzreize auslösen, oder sie führen durch Vernarbung zu einem schmerzhaften Zug. „Bei Patienten, deren Schmerzen auf die Zeit der Periode beschränkt sind, geht man davon aus, dass diese Herde, die Vernarbungen oder Zellen mit blutigem Inhalt sein können, in der Gebärmutter sitzen. Wenn sie sich zusammenzieht, verursacht das die Schmerzen“, erklärt Oppelt. Die für Wenzl am besten nachvollziehbare Endometriose-Theorie: „Dieses Endometrium wurde über die Tuben ausgeschwemmt und setzt sich im Bauchraum fest.“

Typisch sind Schmerzen beim Harnlassen, was einen Befall der Blase nahelegt, Schmerzen beim Stuhlgang, wenn der Darm betroffen ist, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Unterbauchschmerzen während der Regel und auch nicht in zeitlichem Zusammenhang damit. Dauern die Beschwerden einzeln oder in Kombination auftretend länger als drei bis sechs Monate und die Schmerzintensität beeinträchtigt die Lebensqualität, sind die Kriterien für die Diagnose „Endometriose“ erfüllt.

Die laparoskopische Entfernung der Herde führt zur unmittelbaren Besserung der Symptome. „Die Rezidivrate nach der chirurgischen Entfernung liegt nicht höher als zehn Prozent“, bestätigt Wenzl. Ganz generell finden sich Endometriose-Herde häufiger in der Nähe der Gebärmutter. Je weiter weg ein Organ ist, desto seltener ist es von Endometriose betroffen. Anatomisch bedingt sind die Tuben häufig betroffen; erst der dadurch verursachte unerfüllte Kinderwunsch führt die Betroffenen zum Arzt, der dann die Diagnose Endometriose stellt.

Kinderwunsch trotz Endometriose? 

Bleibt der Kinderwunsch mehr als drei bis sechs Monate unerfüllt, gilt es zunächst, den Hormonstatus der Patientin sowie den Samenbefund des Partners zu erheben. „Wenn sich da keine Auffälligkeiten zeigen, zeigt sich bei der Untersuchung der Tuben oft eine tiefinfiltrierende Endometriose oder eine Zyste“, erklärt Wenzl. Und weiter: „Man sagt: Bei 50 Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch findet man Endometriose.“ Nach der Diagnose folgt eine individuell auf die Frau abgestimmte Behandlung. „Ist der Druck aufgrund des Alters oder der Schmerzen so hoch, dass man sofort chirurgisch saniert, oder gibt es die Möglichkeit, die Patientin zunächst hormonell zu behandeln und danach eine spontane Schwangerschaft oder künstliche Befruchtung anzustreben?“ – das sind laut Oppelt die entscheidenden Fragen zu den Behandlungsoptionen.

Die vier Formen der Endometriose

1) Endometriom (Zyste am Ovar)
2) Die tiefinfiltrierende Endometriose (dringt vernarbend tief ins Gewebe hin zum Darm oder zur Blase ein)
3) Adenomyose (Endometriose in der Gebärmuttermuskulatur)
4) Peritoneale Endometriose

Im Vergleich zu den drei erstgenannten Formen, die im Ultraschall erkennbar sind, kann die peritoneale Endometriose nur laparoskopisch diagnostiziert werden.

Entstehungstheorien

  • Transplantationstheorie: Bei der retrograden Menstruation gelangen Teile der Gebärmutterschleimhaut durch die Tuben in den Bauchraum. Bei neun von zehn Frauen findet diese rückwärtsgerichtete Menstruation statt, und zwar zu einem willkürlichen Zeitpunkt während des Zyklus. Kurz vor dem Eisprung gibt es einen Sog von der Gebärmutter in Richtung Eileiter, sodass Endometriumzellen in den Eileiter gesaugt werden und Schleimhautteile in den Bauchraum gelangen.
  • Coelom-Metaplasie-Theorie: Endometriose-Herde entstehen aus Stammzellen, die beim Embryo das Coelom auskleiden. Auslöser für die Metaplasie könnten Entzündungen sowie hormonelle Einflüsse sein.
  • Archimetra-Theorie: Die Endometriose ist eine Folge der Adenomyosis oder eine ihrer Vorstufen. Das Gewebe der Gebärmutterschleimhaut wächst in die Muskelschicht der Gebärmutter ein. Etwa jede zweite Endometriose-Patientin leidet auch an Adenomen.

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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 /10.10.2022
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