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Arzneimittelinterak-tionen in der Rheumatologie: Risiko durch Komorbiditäten

Lesezeit: 4 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung

Kommt es in der Therapie rheumatischer Erkrankungen zur Kombination mit Antidepressiva und Antiinfektiva, steigt das Risiko für Wechselwirkungen deutlich. Hohes Interaktionspotenzial besteht bei Coxiben, NSAR und Glukokortikoiden. Die häufige Polypharmazie bei rheumatischen Patienten verschärft die Problematik.

von Martin Schiller

Patienten mit rheumatischen Erkrankungen werden als Risikokollektiv für Arzneimittelinteraktionen eingestuft. „Die Hauptrisikofaktoren dabei sind Polypharmazie und Komorbiditäten“, sagt Priv. Doz. Christian Schörgenhofer, Leiter der Spezialambulanz für Arzneimitteltherapie und Interaktionen an der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Wien. Eine große europäische Studie mit rund 24.000 Patienten mit Rheumatoider Arthritis habe gezeigt, dass über 30 Prozent der Betroffenen täglich mehr als fünf Arzneimittel einnehmen und damit das Kriterium für Polypharmazie erfüllen. Die Kombination einer Rheumatherapie mit Antiinfektiva oder Antidepressiva würde das Wechselwirkungsrisiko deutlich erhöhen.

Eine sehr bedeutsame Interaktion kann bei Einnahme von Coxiben auftreten, wie Schörgenhofer erklärt: „Vor allem Celecoxib und Parecoxib hemmen das Enzym CYP-2D6. Dies kann beispielsweise dazu führen, dass Tramadol nicht aktiviert wird und somit eine schlechtere Wirkung erzielt.“ Es sei auch möglich, dass die Opioide Buprenorphin und Oxycodon langsamer abgebaut werden, was in einer verstärkten Wirkung und erhöhtem Nebenwirkungspotenzial resultiere. Ebenfalls CYT-2D6-abhängig sind laut Schörgenhofer nahezu alle Antidepressiva, woraus sich Interaktionspotenzial mit Coxiben ergebe. „Die meisten Coxibe führen zu einer Erhöhung der Plasmakonzentration von Antidepressiva. Da Depressionen eine häufige Komorbidität bei Rheumatischen Erkrankungen sind, ist diese Interaktion sehr relevant“, so der Experte. Allerdings zeige die aktuelle Datenlage, dass Etoricoxib kein derartiges Interaktionspotenzial aufweise. Auch bei den meisten Beta-Blockern führt die Hemmung von CYP-2D6 zu höheren Konzentrationen und dadurch zu einer verstärkten Wirkung. Schörgenhofer führt dafür Nebivolol, Carvedilol, Metoprolol und Propranolol als Beispiel an.

Interaktionspotenzial von Glukokortikoiden

Glukokortikoide sorgen Schörgenhofer zu Folge in erster Linie für pharmakodynamische Interaktionen, beispielsweise in Form einer erhöhten Infektneigung. Bei Kombination von Glukokortikoiden mit NSAR sei das gastrointestinale Blutungsrisiko erhöht. Aus pharmakologischer Perspektive sei laut Literatur allerdings nicht ganz klar, ob Glukokortikoide CYP-Enzyme induzieren. „Daten an gesunden Personen sind diesbezüglich negativ, Daten bei diversen Patientenpopulationen, insbesondere bei hohen Dosierungen, deuten darauf hin, dass das CYP-System doch induziert wird“, berichtet Schörgenhofer über den aktuellen Wissensstand. Das Problem dabei sei, dass Inflammation einen Einfluss auf die CYP-Enzym-Produktion habe: „Eine Entzündung reduziert über proinflammatorische Zytokine wie Interleukin-6 die CYP-Aktivität. Wird die Entzündung etwa durch Glukortikoide erfolgreich bekämpft, produziert der Körper nun mehr CYP-Enzyme.“ Es bleibe somit offen, ob die beobachtete CYP-Induktion den Glukokortikoiden direkt zuzurechnen ist oder ob es indirekte Effekte sind.

NSAR

Wirkstoffe aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika sind schwache Säuren. „Sie konkurrieren mit dem DMARD Methotrexat (MTX) um einen renalen Transporter. Dadurch kommt es zu einer reduzierten renalen Ausscheidung von Methotrexat“, erklärt Schörgenhofer das Interaktionspotenzial dieser Kombination. Klinisch relevant dürfte diese Wechselwirkung aber vor allem im Rahmen hochdosierter Methotrexat-Therapie sein; bei niedrigen Dosierungen sei dies klinisch vernachlässigbar. Als oft unterschätzt stuft der Experte das erhöhte Blutungsrisiko durch die Kombination von NSAR mit SSRI wie Citalopram ein.

Im Gegensatz zu Methotrexat und anderen konventionellen synthetischen DMARDs würden biologische DMARDs keine pharmakokinetischen, jedoch pharmakodynamische Wechselwirkungen machen im Sinne der angestrebten Immunsuppression, sagt Schörgenhofer. Insgesamt sieht er das Interaktionsprofil von therapeutischen Antikörpern positiv: „Nach der derzeitigen Datenlage gibt es kaum pharmakokinetischen Wechselwirkungen, wonach Antikörper durch Komedikation in ihren Konzentrationen steigen oder sinken.“

JAK-Inhibitoren

Die CYP3A4-abhängigen Substanzen Tofacitinib und Upadacitinib können Interaktionen mit Hemmern (zum Beispiel Antimykotika, Clarithromycin, Ritonavir) und induzierenden Substanzen (Dexamethason, Carbamazepin, Johanniskraut) dieses CYP-Systems unterliegen. Keine Hinweise auf derartiges Wechselwirkungspotenzial gebe es in der Literatur allerdings für Baricitinib, berichtet Schörgenhofer. „Nachgewiesen ist zwar eine Wechselwirkung mit dem Transporter OAT3, Studiendaten liefern jedoch keinen Hinweis auf eine klinisch relevante Wechselwirkung.“

Auch aus dem Bereich der Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen nennt Schörgenhofer Interaktionsbeispiele. „Erhält ein Rheumapatient unter Therapie von NSAR oder einem Glukokortikoid nach dem Einsetzen eines Stens zusätzlich einen Thrombozytenaggregationshemmer oder ein Antikoagulans im Rahmen von Vorhofflimmern, ist das Blutungsrisiko mitunter sehr hoch.“ Interaktionen seien auch bei den CYP 3A4-abhängigen Calciumkanalblockern möglich. Schörgenhofer schränkt aber ein: „Wenn Patienten regelmäßig Blutdruck messen, kann diese Wechselwirkung allenfalls mit einer Dosisreduktion kontrolliert werden.“ Vor allem starke CYP 3A4-Hemmer wie das in in Paxlovid® enthaltene Ritonavir bergen ein relevantes Potenzial. In der antihypertensiven Therapie sei ein Interaktionspotenzial durch Beta-Blocker möglich (wie oben dargelegt). Simvastatin wird durch CYP3A4 Enzyme abgebaut; Inhibitoren dieser Enzyme erhöhen somit das Risiko für bekannte Nebenwirkungen wie Rhabdomyolyse.

Als klassische Wechselwirkung im Rahmen einer rheumatischen Erkrankung nennt Schörgenhofer jene zwischen Azathioprin und dem Urostatikum Allopurinol. „Die durch Allopurinol bedingte Hemmung der Xanthinoxidase führt dazu, dass der aktive Metabolit von Azathioprin, 6-Mercatopurin, sehr langsam abgebaut wird. Die daraus folgenden sehr hohen Konzentrationen von 6-Mercaptopurin können zu lebensgefährlichen Zytopenien führen“, erklärt er

Ein geringeres Risiko für Interaktionen sieht Schörgenhofer in der Diabetestherapie von Rheumapatienten. Zwar würden Diabetes und rheumatische Erkrankung durchaus häufig gemeinsam vorliegen, jedoch würden die meisten Antidiabetika kein relevantes Interaktionspotenzial aufweisen.


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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11_2024
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