Medizin & Wissenschaft

Belastungshyper-
tonie: Kardiovaskulärer Prädiktor

Lesezeit: 3 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung

Bei bis zu 20 Prozent der sportlich aktiven Menschen kommt es zu einer Belastungsinduzierten Hypertonie, die ein Prädiktor für Bluthochdruck in Ruhe ist. Für die Diagnose am aufschlussreichsten ist die submaximale Belastung in der Ergometrie.

von Martin Schiller

 


Eine hypertensive Reaktion auf sportliche Aktivität ist mit kardiovaskulären Risikofaktoren, erhöhter kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität assoziiert. In internationalen Leitlinien werden die Schwellenwerte für eine Belastungs-induzierte Hypertonie (Exaggerated Blood Pressure Response, EBPR) unterschiedlich definiert:

  • European Society of Cardiology (ESC):Frauen 200/80 mmHg, Männer 220/85 mmHg
  • American Heart Association (AHA): Frauen 190/90 mmHg, Männer 210/90 mmHg
  • American College of Sports Medicine (ACSM): 225/90 mmHg für beide Geschlechter

„Je nachdem, welche Leitlinie man zugrunde legt, haben 15 bis 20 Prozent der sportlich aktiven Menschen eine Belastungshypertonie. Nach ESC-Kriterien sind es 19,6 Prozent, nach AHA-Kriterien 15 Prozent“, sagt Priv. Doz. Mathias-Christoph Brandt von der Universitätsklinik für Innere Medizin II, Kardiologie und internistische Intensivmedizin am Uniklinikum Salzburg. Allerdings betont er, dass bestimmte Personengruppen in Studien unterrepräsentiert sind. „Bisherige Untersuchungsreihen wurden überwiegend bei Männern im mittleren Lebensalter durchgeführt. Es wurden jedoch verhältnismäßig wenig Frauen, ältere Menschen und langjährige Hypertoniepatienten inkludiert.“ Die Begründung: Da eine bestehende Hypertonie unter Belastung schwerer wird, sieht man bei bestimmten Gruppen von entsprechenden Untersuchungen ab.

Die Pathophysiologie der Belastungshypertonie ist multifaktoriell. Genetische Einflüsse spielen ebenso eine Rolle wie die endotheliale Funktion, arterielle Steifheit, abdominale Adipositas, Baroreflex-Sensitivität, der Trainingszustand und die neurohormonale Antwort auf sportliche Betätigung. Laut Brandt werde das pathologische Reaktionsmuster durch die Zunahme der Aktivität des sympathischen Nervensystems begünstigt, das „ein ganz grundsätzlicher Driver der Hypertonie ist“.

Die besten Daten zur Belastungshypertonie liegen für eine submaximale Belastung (bis zu 100 Watt) auf dem Fahrradergometer vor. „Im Verlauf des Belastungstests kommt es als physiologische Reaktion durch Zunahme des Herz-Zeit-Volumens zu einem Anstieg des systolischen Blutdrucks, bei Personen ohne Herzkrankheit aber zu keiner Zunahme der Diastole“, berichtet Brandt. Und er führt ein Beispiel für die prognostische Aussagekraft der Ergebnisse an: „Liegt der systolische Blutdruck in den ersten sechs Minuten über 200 mmHg, verdoppelt sich das Risiko für kardiovaskuläre Mortalität innerhalb der folgenden fünf Jahre bei Männern mittleren Alters“. Bei maximaler Belastung steigt der systolische Blutdruck nochmals an, gleichzeitig erhöht sich nun auch der diastolische Wert. In diesem Fall sei es laut Brandt „schwieriger“, die prognostische Bedeutung abzuschätzen.

Die Belastungshypertonie ist ein sicherer Prädiktor dafür, dass sich unter Ruhebedingungen eine Hypertonie entwickelt. „Dieser Aspekt ist vor allem bei jungen Menschen relevant, da diese Altersgruppe oftmals in Ruhe normotensiv ist oder eher nur eine Erhöhung in der Diastole aufweist. Erst unter Belastung kann eine Pathologie früh erkannt werden“, erklärt Brandt. Er regt außerdem an, den Begriff Belastung nicht auf Sport oder die Fahrrad-Ergometrie einzuschränken. „Zu einer Hypertonie kann es auch bei Alltagstätigkeiten wie Stiegensteigen oder dem Tragen von Lasten kommen.“ Dies kann im Rahmen einer 24-Stunden-Blutdruckmessung ermittelt werden.

„Die Belastungs-induzierte Hypertonie kommt bei Leistungssportlern doppelt so häufig vor wie bei Nicht-Sportlern“, berichtet Brandt. Deutlich öfter zeige sich auch eine linksventrikuläre Hypertrophie. Durch die enorme Zunahme des Schlagvolumens im Leistungssport wird der linke Ventrikel deutlich größer und auch der Herzmuskel kräftiger.

Hypertonie und Seehöhe

In der ESC-Leitlinie zu arterieller Hypertonie zeigt sich eine Evidenz, dass es mit steigender Seehöhe durch Sympathikusaktivierung zu einem Anstieg des Blutdrucks kommt, speziell ab einer Höhe von 3.000 Metern. Der Nachweis dafür wurde jedoch auch schon für eine Seehöhe von 2.000 Metern erbracht.

Menschen mit einer Hypertonie zweiten Grades und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko sollten ihre Blutdruckwerte vor und auch während des Aufenthalts in hohen Lagen deshalb kontrollieren, so die Empfehlung in der Leitlinie.

Menschen mit einer Hypertonie ersten Grades können auch Belastungen in großen Seehöhen gut bewältigen – sofern sie medikamentös gut eingestellt sind. Bei einer Hypertonie dritten Grades sollte eine Exposition in hohen Lagen gemieden werden.

Aufgrund der normalen Blutdruckwerte in Ruhe gestaltet sich die medikamentöse Therapie der Belastungshypertonie komplex. Sowohl im Österreichischen Blutdruckkonsens 2019 als auch in der ESC-Leitlinie zu arterieller Hypertonie ist – abgesehen von hypertensiven Notfällen – keine medikamentöse Senkung der Systole unter 120 mmHg vorgesehen. „Bei normotonen Werten in Ruhe würde der Blutdruck in vielen Fällen zu stark gesenkt, um die Belastungshypertonie einzufangen“, schildert Brandt das medizinische Dilemma. Man müsse also stets den Einzelfall beurteilen.

Sport ist unter ärztlicher Kontrolle trotz Belastungs-induzierter Hypertonie möglich. Einzige Ausnahme: Patienten mit Hypertonie dritten Grades. Brandt rät dazu, die maximale Intensität basierend auf Untersuchungsreihen auf dem Ergometer festzulegen: „Damit lässt sich feststellen, bis zu welcher Belastung tolerable Blutdruckwerte vorliegen und ab wann es zur Hypertonie kommt.“ Da den Aussagen des Experten zufolge die Herzfrequenz mit dem Blutdruck unter Belastung am Ergometer oder auf einem Laufband vergleichbar ist, können die Ergebnisse auf Belastungen im Freizeitsport beziehungsweise in der freien Natur umgelegt werden, wenn derjenige dabei eine Pulsuhr trägt.


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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 /25.10.2023
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