Medizin & Wissenschaft

Herpes zoster Verschiedenste Auslöser

Lesezeit: 3 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung

Jede Form der Immunsuppression – zum Beispiel eine Kortisontherapie – kann eine Reaktivierung des Varicella-zoster-Virus auch schon vor dem 50. Lebensjahr fördern. Da bei einer hohen Durchimpfungsrate gegen das Varicella-zoster-Virus die regelmäßige Immunstimulation durch das Wildvirus fehlt, kann Herpes zoster wieder häufiger werden.

Ein Drittel der Gesamtbevölkerung ist einmal im Leben von Herpes zoster betroffen. Reaktiviert wird es durch verschiedene psychoneuroimmunologische Faktoren: Das Risiko für Herpes zoster steigt ab dem 50. Lebensjahr aufgrund der beginnenden Immunseneszenz. „Das betrifft im Speziellen die T-Lymphozyten, die an der Repression des Herpes zoster-Virus beteiligt sind“, erklärt Univ. Doz. Robert Müllegger, Vorstand der Abteilung für Dermatologie und Venerologie am Landesklinikum Wiener Neustadt.

Jede Form der Immunsuppression – sei es durch eine schwerwiegende Grunderkrankung oder durch eine Therapie – kann die Reaktivierung des Virus auch vor dem 50. Lebensjahr fördern. „Eine Kortisontherapie greift zum Beispiel ins Immunsystem ein“, ergänzt Univ. Prof. Stefan Winkler von der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin der Universitätsklinik für Innere Medizin der Medizinischen Universität Wien. Untersuchungen zufolge kann auch Stress als Auslöser fungieren. Nach Ansicht von Winkler spielen oft „mehrere Komponenten“ zusammen. Auch COPD scheint aktuellen Studien zufolge mit einer erhöhten Inzidenz für Herpes zoster in kausalem Zusammenhang zu stehen.

Klinische Diagnose

Erst Tage nach Beginn der Nervenschmerzen manifestieren sich die Hauterscheinungen. Müllegger dazu: „Es kommt streng halbseitig am Körper zu einem band- oder gürtelförmigen Exanthem – je nachdem, welches Ganglion betroffen ist.“ In diesen roten Flecken entwickeln sich innerhalb von Stunden bis Tagen herpetiform angeordnete Bläschen, aufgrund derer die klinische Diagnose „eindeutig“ ist, wie der Experte betont. In 50 Prozent der Fälle tritt Herpes zoster im Bereich der Interkostalnerven auf. Unbehandelt dauert die Erkrankung vier bis sechs Wochen, was bei adäquater Behandlung des akuten Erscheinungsbildes um die Hälfte verkürzt werden kann. „Nur ein rasches pharmakologisches Eingreifen minimiert das Risiko für Komplikationen“, betont der Experte.

Virusvermehrung eindämmen

Die erste der drei Säulen bei der Behandlung stellt die Eindämmung der Virusvermehrung durch Nukleosidanaloga dar. „Virostatika müssen innerhalb von 72 Stunden nach der Bläschenbildung verabreicht werden, damit ein wesentlicher Therapieeffekt erzielt werden kann“, unterstreicht Winkler.

Die symptomatische Schmerztherapie ist die zweite Säule der Therapie. „Hier sind oft Mehrfach-Kombinationen von Schmerzmitteln nötig“, weiß Müllegger aus der Praxis. Und man müsse diese Schmerzen „ernst nehmen“. Nicht selten benötigen Betroffene bis zu vier Medikamente gleichzeitig: Analgetika, nicht-steroidale Antirheumatika, Co-Analgetika und Opioide (beginnend mit Tramadol). Im Gegensatz zufrüher werde mit der Gabe von Co-Analgetika wie trizyklischen Antidepressiva und Antiepileptika nicht lange zugewartet. Dazu Müllegger: „Man setzt sie so rasch wie möglich von Anfang an ein.“ Speziell bei älteren Patienten müsse man auf Neben- und Wechselwirkungen achten. Außerdem benötigten viele Patienten wochenlang eine entsprechende Schmerzmedikation.

Die dritte Säule ist die phasen-abhängige dermatologische Lokaltherapie. Empfohlen werden Puderverbände, solange die Bläschen bestehen, und desinfizierende Salben, sobald sich Krusten bilden.

Unterschätzte Komplikationen

Beide Experten warnen davor, Herpes zoster zu unterschätzen. Obwohl die Inzidenzen der meisten Komplikationen im einstelligen Prozentbereich liegen, gebe es „höchst unangenehme und gefährliche Komorbiditäten und Begleiterscheinungen“. Die Post-zoster-Neuralgie dauert Wochen bis Monate an; sie betrifft ein Drittel der Herpes zoster-Patienten, wobei es einen Zusammenhang mit dem Alter gibt. Dazu Winkler: „50 Prozent der über 70-jährigen Betroffenen leiden dann auch an einer postherpetischen Neuralgie. Neben einem latenten, den ganzen Tag über vorhandenen Grundschmerz kommt es immer wieder einschießend zu lanzierenden, brennenden Schmerzattacken“. Zusätzlich zu den Analgetika, die bei der Akutinfektion zum Einsatz kommen, können hier auch Schmerzpflaster verwendet werden. Müllegger sieht darin einen Vorteil: „Ein Capsaicin-Pflaster hat keine systemischen Auswirkungen. Man umgeht das Risiko von zentralnervösen Wechselwirkungen oder nephrologischen Beeinträchtigungen.“ In mindestens 50 Prozent der Fälle erzielt man damit eine bis zu 60-prozentige Schmerzreduktion.

Neben dem Befall des peripheren Nervensystems kann es im schlimmsten Fall zu einer Meningitis oder Encephalitis kommen. Vereinzelt sind Paresen der Hirnnerven wie etwa des Nervus facialis oder vestibulocochlearis möglich. „Eine gefürchtete Komplikation ist die Augen-Beteiligung mit Cornea und Sklera. Selten kann auch der Nervus opticus betroffen sein, was die Erblindung zur Folge haben kann“, erklärt Müllegger. Und Winkler ergänzt: „Teilweise kommt es zu Schwindel und Gehörproblemen wie Tinnitus, die mitunter bleiben können.“

Ab 50 Jahren wird laut Österreichischem Impfplan die Impfung gegen Herpes zoster empfohlen. Der seit Oktober 2021 in Österreich verfügbare Totimpfstoff wird in zwei Dosen im Abstand von zwei Monaten i.m. injiziert. „Für immunsupprimierte Patienten oder jene mit einer schweren Grunderkrankung wird die Impfung ab dem 18. Lebensjahr empfohlen“, ergänzt Müllegger. Auch wenn Langzeitdaten noch fehlten, zeichne sich eine hohe Vakzineffektivität und lange Wirksamkeit ab. Selbst bei über 80-Jährigen verhindert die Impfung Herpes zoster in mehr als 90 Prozent der Fälle, bei Jüngeren in 97 Prozent der Fälle.

Auswirkung der Varicellen-Impfung

Gegen eine Infektion mit dem Varicella-zoster-Virus (Windpocken) steht in Österreich seit 2005 ein Impfstoff zur Verfügung. Was bedeutet diese zunehmende Immunisierung für das Infektionsgeschehen mit Herpes zoster? „Auch gegen Varicellen Geimpfte können Herpes zoster bekommen“, betonen beide Experten. „Bei einer hohen Durchimpfungsrate gegen das Varicella-zoster-Virus fehlt die regelmäßige Immunstimulation durch das Wildvirus. Dadurch kann Herpes zoster letztlich wieder häufiger werden“, erläutert Müllegger. Das sei auch der Grund dafür, wieso beispielsweise in Australien, Japan oder den USA, wo flächen deckend gegen das Varicella-zoster-Virus geimpft wird, im Alter die Impfung gegen Herpes zoster empfohlen wird. (JF)

3 Tipps für die Praxis

  1. Die klinische Diagnose sollte so rasch wie möglich gestellt und mit der Behandlung begonnen werden. Je früher Virostatika eingesetzt werden, umso höher ist die Wirksamkeit und umso geringer das Risiko für Komplikationen.
  2. Die Schmerzen der Patienten ernst nehmen und multimodal, aggressiv und schnell behandeln mit Mehrfach-Kombinationen aus Analgetika, nicht-steroidalen Antirheumatika, Co-Analgetika und Opioiden. „Nicht zu milde beginnen!“, rät Müllegger.
  3. Nur bei vier bis maximal zehn Prozent der Betroffenen kommt es zu einem Rezidiv des Herpes zoster. Beim wiederholten Auftreten von Bläschen im Gesäßbereich Herpes genitalis ausschließen!

Quelle: Univ. Doz. Robert Müllegger, Vorstand der Abteilung für Dermatologie und Venerologie am Landesklinikum Wiener Neustadt

 


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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 /25.09.2023
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