Medizin & Wissenschaft
Familienplanung bei Psoriasis: Therapiepause möglich
Lesezeit: 5 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung
Bei den meisten Patientinnen mit Psoriasis können monoklonale Antikörper während der Schwangerschaft abgesetzt werden. Eine unbehandelte schwere Psoriasis kann sich jedoch auf Mutter und Kind auswirken – diese Risiken müssen gegen immunologische Auswirkungen auf das Kind bei Fortsetzung der Therapie abgewogen werden.
von Martin Schiller
Rund die Hälfte der Frauen berichten von einer Verbesserung der Psoriasis vulgaris während der Schwangerschaft. Bei rund 25 Prozent der Fälle tritt keine Veränderung ein, bei weiteren 25 Prozent kommt es zu einer Verschlechterung. „Die Psoriasis vulgaris zieht keine unmittelbaren irreversiblen Schäden nach sich wie etwa eine Psoriasis-Arthritis. Es ist bei fehlender Gelenksbeteiligung daher nur selten notwendig, an einer systemischen Therapie während der Schwangerschaft festzuhalten“, sagt Univ. Prof. Gudrun Ratzinger von der Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie in Innsbruck. Ein Absetzen der Systemtherapie werde bereits bei Kinderwunsch angestrebt. Der Zeitpunkt dafür ist abhängig von der Art der medikamentösen Therapie. Bei monoklonalen Antikörpern sollte laut Fachinformation ein Abstand von bis zu fünf Monaten vor dem Eintreten der Schwangerschaft eingehalten werden, obwohl es aus Tierexperimenten keine Hinweise auf eine gesundheitsschädigende Wirkung auf das Kind gibt. „In der Praxis reicht es deshalb aus, wenn man die monoklonalen Antikörper absetzt, sobald ein positiver Schwangerschaftstest vorliegt“, berichtet Ratzinger. Es gibt laut Ratzinger zahlreiche Beobachtungen für eine durchgehende Verwendung monoklonaler Antikörper in der Schwangerschaft – jedoch hauptsächlich in anderen Indikationen wie Morbus Crohn oder Rheumatoider Arthritis, bei denen das Absetzen nur schwer durchgeführt werden kann. Diese Daten würden zeigen, dass keine Teratogenität besteht. Die Expertin rät dennoch zum Absetzen spätestens am Ende des ersten Trimenons. Grund dafür: Monoklonale Antikörper sind relativ große Moleküle. Da im ersten Trimenon der Transport von Mutter zu Kind nur durch Diffusion geschieht, kann der Antikörper noch nicht auf das Kind übergehen. Im zweiten und dritten Trimenon hingegen erfolgt dies jedoch via Rezeptor transport. „Das Kind erhält dadurch vermutlich sogar eine größere Dosis als die Mutter. Das hat immunologische Folgen nach der Geburt. In den ersten Lebensmonaten ist das Ansprechen auf Impfungen vermindert“, erklärt Ratzinger. Eine Ausnahme stellt diesbezüglich Certolizumab dar. „Dieser monoklonale Antikörper passiert die Plazentaschranke im zweiten und dritten Trimenon nicht“, betont Univ. Prof. Paul-Gunther Sator von der Dermatologischen Abteilung der Klinik Hietzing in Wien.
Risiken abwägen
Insgesamt spielt der Schweregrad der Krankheit für die finale Entscheidung zum Absetzen der Therapie eine entscheidende Rolle. „Eine unbehandelte schwere Psoriasis kann sich nachteilig auf die Schwangerschaft auswirken. Das Risiko für eine Frühgeburt, für ein geringes Geburtsgewicht und für die Entwicklung eines Gestationsdiabetes ist erhöht“, sagt Sator. Es gelte daher, die immunologischen Auswirkungen einer fortgesetzten Therapie mit monoklonalen Antikörpern – abgesehen von Certolizumab – gegen die Risiken für den Schwangerschaftsverlauf abzuwägen. „Die Entscheidung ist abhängig von der Ausprägung der Erkrankung, von Komorbiditäten und auch vom Wunsch der Patientin selbst“, erläutert Sator. Gerade Depressionen oder Adipositas würden abhängig von der Schwere der Psoriasis gehäuft auftreten. Und: „Psoriasispatientinnen haben insgesamt häufiger einen ungesunden Lebensstil. Dies betrifft das Rauchen, den Alkoholkonsum und die Ernährung. Diese Faktoren können sich natürlich stark auf den Schwangerschaftsausgang auswirken“. Kontraindiziert ist in der Schwangerschaft die Einnahme von Methotrexat, Acitretin, Apremilast und Fumarsäure. „Methotrexat und Acitretin sollten bei einem prinzipiellen Kinderwunsch von Vornherein gar nicht verschrieben werden“, betont Ratzinger. Werden diese Wirkstoffe dennoch in der Behandlung eingesetzt, sollte bei Methotrexat ein Abstand von drei Monaten vor dem Eintreten der Schwangerschaft eingehalten werden; im Fall von Acitretin sind es sogar zwei Jahre. Zu berücksichtigen sind diese Aspekte auch, wenn ein Mann mit Kinderwunsch an Psoriasis leidet. „Auch, wenn vermutlich keine negativen Auswirkungen eintreten, sollten Männer mit Familienwunsch Methotrexat nicht einnehmen oder den Wirk stoff drei Monate zuvor absetzen“, sagt Sator. Als sicher erweise sich hingegen die Biologikagabe beim Mann, wie Daten hinsichtlich Fehl- und Frühgeburten zeigen würden.
Wird die systemische Therapie der Psoriasis für die Schwangerschaft abgesetzt, kann eine Intensivierung der Lokaltherapie sinnvoll sein, wie beide Experten herausstreichen. Zur Verfügung steht eine Basispflege mit rückfettenden Salben oder in Form von Ölbädern, die Phototherapie (Schmalband UV-B, 311 nm) sowie leichte topische Kortikosteroide. „Diese sollten möglichst kurz verwendet werden“, betont Sator. Meist könnten mit Basispflege und UV-B-Licht bereits gute Erfolge erzielt werden. Ratzinger rät bei Kortisonpräparaten zu nicht fluorierten Wirkstoffen wie Mometason und Methylprednisolon acetat. Auch Vitamin-D-Analoga können zum Einsatz kommen. Die Expertin weist allerdings auf eine Höchstmenge von 100 Gramm Creme pro Woche hin, um Hypercalcinosen zu vermeiden.
Monoklonale Antikörper in der Stillzeit
Der Großteil der Patientinnen erfährt nach der Geburt laut Sator eine Verschlechterung der Symptomatik – und diese trete auch relativ rasch ein. Für die Therapie in der Stillzeit ist die Gabe von Ciclosporin, Methotrexat und Apremilast kontraindiziert, da diese Wirkstoffe in die Muttermilch übergehen. „Die sicherste Therapiemöglichkeit ist die Verabreichung von Certolizumab“, sagt Sator. Ratzinger beschreibt die Möglichkeit eines „leichten Übergangs“ von subkutan verabreichten monoklonalen Antikörpern in die Muttermilch. Aber: „Der Antikörper kann nach oraler Aufnahme durch das Kind nicht mehr wirksam werden, weil die Eiweißstruktur durch die Verdauung degradiert wird“, so die Expertin.
Frage zur Weitervererbung offen
Häufig machen sich Patientinnen Sorgen, ob die Psoriasis an das Kind weitervererbt wird. „Es kommt zu keinem klassischen Erbgang, weshalb oft auch Generationen übersprungen werden“, sagt Univ. Prof. Gudrun Ratzinger dazu. Liegt bei beiden Elternteilen eine Psoriasis vor, steige die Wahrscheinlichkeit, aber beziffert werden könne sie nicht und auch die mögliche Ausprägung könne nicht prognostiziert werden. Zudem sei für den Ausbruch der Krankheit stets ein Trigger auf Basis einer genetischen Prädisposition nötig. „Es braucht einen Realisationsfaktor. Ob ein gesundes Neugeborenes später im Leben auf einen der möglichen Trigger reagiert, kann man nicht vorhersagen“, so Ratzinger. Auf die Fruchtbarkeit hat eine Psoriasis jedenfalls keinen Einfluss. „Diese etwaige Sorge kann man den werdenden Eltern nehmen“, sagt Univ. Prof. Paul-Gunther Sator.
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