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Colitis ulcerosa: Rezidiv- und Schubtherapie gleich wichtig

Lesezeit: 3 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung

Bei der Erhaltungstherapie der Colitis ulcerosa bewähren sich Kombinationen von mehreren Präparaten, um die unterschiedliche Pharmakogalenik derselben auszugleichen.  Ganz grundsätzlich hat die Rezidivprophylaxe den gleichen Stellenwert wie die Therapie des akuten Schubs.

von Martin Schiller

Ohne Erhaltungstherapie kommt es bei bis zu 80 Prozent der Patienten, die an Colitis ulcerosa leiden, innerhalb eines Jahres zu einem erneuten Krankheitsschub. „Der Rezidivprophylaxe kommt damit derselbe Stellenwert wie der Schubtherapie zu“, sagt Univ. Prof. Rainer Schöfl von der Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie am Ordensklinikum Linz. 5-ASA-Präparate (5-Aminosalizylate) weisen für die Erhaltung der Remission eine „sehr gute“ Evidenz auf und sind die Arzneimittel der ersten Wahl. In einer Meta-Analyse, im Zuge derer 42 Studien (n=8.928) ausgewertet wurden, ergab sich nach klinischen und endoskopischen Kriterien eine deutliche Überlegenheit von 5-ASA gegenüber Placebo. „Der Erfolg der Erhaltungstherapie mit Mesalazin-Präparaten besteht in einer zumindest 50-prozentigen Reduktion des Risikos für ein Rezidiv“, betont Univ. Prof. Christoph Gasche von der Universitätsklinik für Innere Medizin III am AKH in Wien. Die molekularen Wirk-mechanismen seien bestens erforscht: „5-ASA wirken antiinflammatorisch, antibakteriell und antioxidativ und steigern die Barrierefunktion, da Adhäsionsmoleküle zwischen den Epithelzellen stärker exprimiert werden. Langfristig zeigt sich außerdem eine Darmkrebs-hemmende Wirkung.“ Die Einnahme ist zumindest zwei Jahre nach dem letzten Schub notwendig, prinzipiell jedoch über mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte hindurch möglich.

Gasche setzt häufig Kombinationen aus Mesalazin-Präparaten ein und begründet dies mit der Pharmakogalenik. „Manche lösen sich theoretisch im Dünndarm auf, manche am Übergang Dünndarm/Dickdarm, andere im rechten Dickarm, einige diffus. Die Freisetzung ist aber individuell unterschiedlich. Durch Kombination wird verhindert, dass ein nicht-passendes Präparat gegeben wird.“

So wählt der Experte bei linksseitigen Erkrankungen etwa die Kombination aus Mezavant und Pentasa. Löst sich Mezavant nicht auf, weil es zuvor schon mit den Fäzes ausgeschieden wird, profitiert der Patient von der Wirkung von Pentasa. Gasche weiter: „Würde ich Pentasa als Monotherapie einsetzen, könnte es bei einigen Patienten zur vollständigen Auflösung im Dünndarm kommen und es kommt kein Wirkstoff im Kolon an. Dafür wäre in dem Fall Mezavant wirksam.“

Sulfasalazin werde hin und wieder noch verabreicht, wenn ein Patient auch unter Gelenksproblemen leidet. „Auf einen Sulfasalazin-Patienten kommen mittlerweile aber 30 bis 40 Mesalazin-Patienten“, merkt Gasche an.

In der GEMINI-I-Studie konnte die Wirksamkeit des monoklonalen IgG1-Antikörpers Vedolizumab für den Remissionserhalt nachgewiesen werden. Unter achtwöchentlicher Therapie wurde in Woche 52 eine Remissionsrate von 41,8 Prozent berichtet, unter vierwöchentlicher Therapie 44,8 Prozent. „Die Patienten kommen alle acht Wochen zur Infusion oder verabreichen sich alle vier Wochen eine subkutane Injektion. Die Zufriedenheit ist hoch. Es gibt praktisch keine Nebenwirkungen und es kommt nicht zur Immun-suppression“, berichtet Gasche.

Vorgehen bei Rezidivprophylaxe

Die Vorgangsweise bei der Rezidivprophylaxe hängt davon ab, ob es sich zuvor um einen leichten bis mittelschweren oder um einen schweren Krankheitsschub gehandelt hat. Schöfl dazu: „Wurde ein leichter Schub mit Mesalazin und Kortison behandelt, wird bevorzugt mit Mesalazin weiterbehandelt. Wurde bei einem schweren Schub mit einem TNF-alpha-Inhibitor therapiert, ist dieser auch für die Rezidivprophylaxe die bevorzugte Wahl.“ Dies gelte jedoch für einen Zeitraum von zwei Jahren. Für eine Dauertherapie mit anti-TNF-alpha-Antikörpern in der Remissionserhaltung fehle die Evidenz, aber „in der Praxis bespreche ich das Thema nach zwei Jahren mit dem Patienten. Muss er beruflich voll einsatzfähig sein und viel reisen, tendiere ich dazu, anti-TNF-alpha-Antikörper auch weiterhin einzusetzen.“

Lebensmittel: die Checkliste

Empfehlungen für Lebensmittel und die versteckten Gefahren in Lebensmitteln

  • Fleisch versus pflanzliche Ernährung: Vegetarische und sorgsam zusammengestellte vegane Kost bewähren sich bei der Erhaltung der Remission. Der Konsum von Fleisch sollte in eingeschränktem Maß erfolgen. Im Gegensatz zu Schöfl macht Gasche keinen Unterschied zwischen rotem und weißem Fleisch, da nach Ansicht von Gasche die Eiweißmenge der entscheidende Faktor sei. Welche Auswirkungen der Konsum von Fleisch auf Menschen hat, die an Colitis ulcerosa leiden, ist nicht geklärt.
  • Faserstoffe: Sie werden ausdrücklich empfohlen, da sie von der Darm-Mikrobiota in kurzkettige Fettsäuren umgewandelt werden. Diese wiederum sind im hypoxischen Milieu des Darms wichtige Nährsubstanzen und Energieträger für die Darmschleimhaut.
  • Brot und Gebäck: Entscheidend ist das Mehl, das verwendet wird. Gasche dazu: „Industrie-Backbrot wird oft aus Mehl erzeugt, das Zitronensäure als Stabilisator enthält. Für den Patienten mit Colitis ulcerosa bedeutet dieser Inhaltsstoff jedoch einen Angriff auf die Darmschleimhaut. Die Empfehlung von Gasche: „Man sollte sich in der näheren Umgebung nach einem Bäcker umschauen, der Brot und Gebäck noch selbst und auf traditionelle Weise herstellt.“
  • Alkohol: Dieser sollte aufgrund der schleimhautschädigenden Wirkung nicht getrunken werden. Besonders vor dem Konsum von Spirituosen wird gewarnt.
  • Emulgatoren: Sie sollten so gut wie möglich aus der Ernährung verbannt werden. Der Grund: Sie sind extrem stabil, gelangen in den Dickdarm und führen dazu, dass die Schleimschicht dünner und weicher wird. „Das macht sie angreifbarer für Bakterien, die im Lumen eine Immunreaktion auslösen, die dann zum typischen Krankheitsbild der Colitis ulcerosa führen kann“, so Gasche. Emulgatoren befinden sich auch in Produkten, in denen man sie zunächst nicht unbedingt vermuten würde wie beispielsweise in Milchprodukten. „Großindustrielle Molkereierzeugnisse werden oft aus Milchpulver hergestellt. Um dieses in Lösung zu bringen, sind wieder Emulgatoren notwendig.“ Wegen des hohen Gehalts an Zucker und Zusatzstoffen rät der Experte von industriell hergestelltem Fruchtjoghurt ab. Bei Käse sollte auf Produkte von kleineren Molkereien zurückgegriffen werden. Grundsätzlich vertragen Patienten mit Colitis ulcerosa Hartkäse tendentiell besser als andere Käsesorten.
  • Konservierungsmittel: Sie wirken sich aufgrund ihrer antibakteriellen Effekte negativ auf die Darm-Mikrobiota aus und sollen weitgehend gemieden werden.
  • Farbstoffe: Gefärbte Nahrungsmittel sollen möglichst nicht konsumiert werden. „Der Weißmacher Titaniumdioxid, der auch als E171 bekannt ist, wird beispielsweise von den Makrophagen im Darm aufgenommen und akkumuliert dort ebenso wie in der entzündlich-veränderten Schleimhaut“, warnt Gasche. Titaniumdioxid wird als Überzugsmittel für Nahrungsergänzungsmittel, Dragees und Kaugummis verwendet sowie in Süßigkeiten, Suppen, Soßen, Aufstrichen und Produkten mit verarbeiteten Nüssen.

Quelle: Univ. Prof. Christoph Gasche

Eine mögliche Ergänzung für eine Mesalazin-Therapie ist laut Schöfl Azathioprin. „Besonders, wenn bei der Behandlung des Schubs zusätzlich zu Mesalazin auch Kortison eingesetzt wurde, ist der Einsatz von Azathioprin bei der Erhaltung der Remission überlegenswert.“ Gasche ergänzt, dass sich eine Kombinationstherapie aus Azathioprin und Methotrexat bei vielen Patienten bewähre, die mit den herkömmlichen Substanzen nicht zurechtkommen.

Nach einem leichten Krankheitsschub kann bei der Rezidivprophylaxe auch die Verwendung eines Probiotikums erwogen werden. Mit E. coli Nissle stehe ein “gut erprobter Stamm“ zur Verfügung. Dessen Effektivität konnte laut dem Experten in einer Meta-Analyse aus sechs randomisierten Studien bewiesen werden. „Die Studien wiesen zwar zum Teil Mängel auf. Aber in Summe ist der Keim als Monotherapie für leichte Fälle wie auch als Ergänzung zu Mesalazin eine Option“, berichtet Schöfl.

Sofern möglich, sollte die Gabe von Antibiotika bei der Erhaltungstherapie vermieden werden, betont Gasche. „Die daraus resultierenden Mikrobiota-Veränderungen können einen schubauslösenden Effekt haben.“ Ebenfalls nicht eingenommen werden sollten NSAR.

Wenngleich für die Erhaltung der Remission keine klassische Ernährungstherapie empfohlen wird, gibt es doch einige Grundsätze für die Ernährung, die dem Patienten vermittelt werden können. Schöfl dazu: „Raffinierter Zucker sollte weitgehend vermieden werden, der Verzehr von rotem Fleisch eingeschränkt erfolgen.“ Auch lohne es sich, individuelle Unverträglichkeiten mit der FODMAP-Diät (fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole) abzuklären.

Die Theorie hinter der FODMAP-Diät: Die enzymatische Vergärung dieser Substanzen durch Dickdarmbakterien führt zu Gasbildung und verstärkter Peristaltik. Deshalb werden für einige Wochen Laktose, Fruktose, Zuckeralkohole wie Sorbit und Mannit sowie bestimmte Gemüsesorten gemieden und dann schrittweise wieder in den Speiseplan eingeführt, um die individuelle Verträglichkeit zu testen.

Schöfl betont außerdem den positiven Einfluss der mediterranen Kost und schlägt vor, mediterrane Diät und FODMAP-Diät im Intervall durchzuführen.

Die schädliche Wirkung von Klarspülern in Geschirrspülmitteln auf die epitheliale Barriere haben kürzlich Wissenschafter der Universität Zürich nachgewiesen – die ÖÄZ berichtete (ÖÄZ 1/2, 25. Jänner 2023, Seite 19). Reste des Klarspülers verbleiben nach dem letzten Spülgang auf dem Besteck, den Tellern und Gläsern und werden bei der nächsten Verwendung des Geschirrs aufgenommen. „Bei Menschen mit empfindlicher Schleimhaut reicht das vermutlich aus, um einen Colitis-ulcerosa-Schub auszulösen“, kommentiert Gasche die Studienergebnisse. Seine Empfehlung: das Geschirr entweder händisch nachspülen oder den Geschirrspüler ohne Klarspüler und Tabs verwenden.

Supplementierung bringt keinen Vorteil

Von einer oralen Supplementierung wie zum Beispiel mit Eisen rät Gasche gänzlich ab: „Eisenhaltige Nahrungsergänzungsmittel beziehungsweise Eisentabletten sind für den Darm schlecht verträglich.“ Er rate ganz generell von allen Nahrungsergänzungen mit zweiwertigen Metallen und Salzen wie Zink, Selen, Calcium und Magnesium ab. Der Grund: Sie verändern das Redoxpotential im Darm und beeinflussen die Mikrobiota, was sich wiederum ungünstig auf den Verlauf der Krankheit auswirkt.

Ebenso gibt es von Gasche keine Empfehlung für Vitamin E und Fischölpräparate. Zwar gebe es durchaus gute Studiendaten; diese konnten jedoch nicht repliziert werden. „Die Beweislage reicht hier nicht aus“, konstatiert der Experte. Vereinzelt würden Studien eine positive Wirkung von Weihrauch zeigen, doch auch hier zeigt sich Gasche vorsichtig: „Nicht jeder Weihrauch wirkt beim Patienten und es liegt derzeit keine Analyse vor, welcher der tausenden Inhaltsstoffe eine aktive Substanz bei Colitis ulcerosa ist.“

Bestehe beim Patienten der Wunsch, zusätzlich zu Arzneimitteln etwas einzunehmen, empfiehlt er Kurkuma. „Dazu gibt es gute Daten.“ Auch den Einsatz von Thymochinon – enthalten in Schwarzkümmelsamen – beurteilt Gasche positiv.

Während im Verlauf eines akuten Krankheitsschubs keine sportliche Betätigung erfolgen sollte, wird für die Rezidivprophylaxe vor allem Ausdauertraining empfohlen. Schöfl rät zu einer niedrigen bis mittleren Intensität; hingegen sollte eine hohe körperliche Belastung vermieden werden. „Gleichzeitig können Patienten animiert werden, etwas für die psychische Ausgeglichenheit zu tun, etwa Yoga oder Autogenes Training. Viele Patienten machen auch sehr erfolgreich eine Kreativtherapie in Form von Malen oder Musizieren“, sagt der Experte abschließend.


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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 /10.09.2023
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