Medizin & Wissenschaft
Akne: Antibiotika nur kurzzeitig
Lesezeit: 4 Minuten Quelle: Österreichische Ärztezeitung
Antibiotika werden heutzutage bei der Behandlung von Akne vorsichtiger und auch nur kurzzeitig eingesetzt. Der Grund: Antibiotika führen zu einer Dysbalance der bakteriellen Besiedlung von Haut und Darm, was die Entstehung von Akne eher fördert.
Als Acne vulgaris bezeichnet die Wiener Dermatologin Assoc. Prof. Julia Valencak, „die gewöhnliche Akne des Jugendlichen zwischen 16 und 26 Jahren“. Bei allen Menschen kommt es in dieser Lebensspanne zu einer hormonellen Umstellung, die „bei einigen mehr, bei anderen weniger“ dermatologische Auswirkung hat. Da es geografische Unterschiede in der Prävalenz der Akne gibt, liegt die Vermutung nahe, dass Ernährung und Genetik eine Rolle für den Ausbruch der Hauterkrankung spielen. „Die Western Diet mit gesättigten Fettsäuren, einem hohen Anteil an Kohlenhydraten, Milch und Eiweiß fördert die Akne aller Wahrscheinlichkeit nach über das Darmmikrobiom“, erklärt Univ. Prof. Johann Bauer von der Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie Salzburg. Alle westlichen Nationen weisen eine hohe Prävalenz der Akne auf. In der Altersgruppe zwischen zwölf und 25 Jahren sind bis zu 85 Prozent betroffen. Nach dem 25. Lebensjahr sind es vor allem Frauen, die an Akne leiden, und zwar bis zu 35 Prozent. Valencak vermutet auch, dass die immer früher beginnende Pubertät bei jungen Menschen eine Rolle spielt: „Die durch die Pubertät ausgelöste Hormonanflutung trifft auf eine Haut, die für die so starke Talgdrüsenproduktion noch nicht bereit ist. Das kann starke Entzündungen begünstigen.“
Unterscheidung klinisch oder nach Schweregrad
Die Klassifikation einer Akne kann entweder klinisch oder nach dem Schweregrad erfolgen. Klinisch unterscheidet man zwischen Acne comedonica, Acne papulopustulosa und Acne conglobata oder man unterscheidet nach drei Schweregraden. „Komedonen sind die initia len Erscheinungsformen der Akne im Gesicht oder auch am Oberkörper“, beschreibt Bauer. Sie entstehen aufgrund der hormonell bedingten veränderten Hautdifferenzierung. Bestehen diese verschlossenen Talgdrüsen länger, kann eine bakterielle Entzündung hinzukommen – es manifestiert sich eine Acne papulopustulosa. Als charakteristisch für diesen Akne-Typ beschreibt Bauer „die schmerzhafte Bildung von roten Höfen um die Komedonen“. Bei der schwersten Form, der Acne conglobata, entstehen konfluierende Eiterseen.
Die oberflächliche Akne ist laut den Aussagen der beiden Experten dann behandlungswürdig, wenn die Betroffenen einen Leidensdruck haben. Tiefknotige Ausprägungsformen neigen zu narbiger Abheilung, was es zu vermeiden gilt. Klinisches Erscheinungsbildung und Leidensdruck können dabei „weit auseinanderklaffen“, wie Valencak berichtet. Vor allem junge Mädchen seien es, die bei einer Akne, die an sich gut lokal behandelt werden könnte, eine systemische Therapie einforderten. Bauer spricht sich bei einer milden Ausprägung für einen milden Therapieansatz aus: „Reinigungsgels mit dem richtigen pH-Wert, der den physiologischen pH-Wert der Haut von 5,5 nicht übertreffen sollte, können durch die Entfettung positiven Effekt haben.“ Ebenso sei die antimikrobielle Wirkung von Teebaumöl in Studien nachgewiesen; Zitrusöl und Mariendistelöl fördern die Balance des Mikrobioms. Klassische lokale Präparate zur Behandlung einer Acne comedonica sind Retinoide wie Adapalen, die ein mildes Schälen bewirken.
Bei einer Unverträglichkeit gegenüber Retinoiden kann auch Benzoylperoxid eingesetzt werden, das keratolytisch wirkt. Kombinationspräparate wie zum Beispiel Adapalene mit Benzoylperoxid haben eine hohe Erfolgsrate. Nachteil der lokalen Therapie ist die initiale Verschlechterung mit Rötungen und Schuppen. Daher gebe es laut Valencak ein Adhärenzproblem: „Alle Studien enden nach drei Monaten. Lokale Akne-Therapeutika könnten gute Wirkung zeigen, wenn die Betroffenen sie langfristig anwenden würden. Das machen aber die wenigsten, wie die Studien zeigen.“ Einfacher in der Anwendung werden Systemtherapien mit Antibiotika oder Isotretinoin empfunden.
„Das Paradigma in der Aknetherapie hat sich insofern etwas gedreht, als man früher stark auf Antibiotika wie Tetrazykline gesetzt hat“, gibt Bauer zu denken. Man sei damit heute vorsichtiger und setze sie nur kurzzeitig ein. „Man weiß, dass Antibiotika eine Dysbalance in der Bakterienbesiedlung auf der Haut und im Darm bewirken, was wiederum die Akne-Entstehung eher fördert.“ Auch Valencak lässt beim Einsatz von Antibiotika Vorsicht walten. Der Grund: In 80 Prozent der Fälle rezidiviert die Akne nach der dreimonatigen Gabe von Antibiotika. Warum trotzdem Antibiotika verordnet werden? „Weil sie rasch wirken und keine intensive Aufklärung und Einverständnis der Erziehungsberechtigten bei unter 18-Jährigen erfordern wie das etwa bei Isotretinoin der Fall ist“, so Valencak.
Therapie im Überblick
- Lokaltherapie für leichte bis mittelschwere Ausprägung Retinoide (Adapalene, Differingel) – häufig Unverträglichkeiten! Benzoylperoxid und Retinol-/Benzoylperoxid-Kombinationspräparate Antibiotische Gels/Lotionen Alternativen: Teebaumöl, Mariendistelöl, Zitrusöl
- Systemische Therapie für mittelschwere bis schwere Ausprägung Antibiotika: Tetrazykline (hohe Rezidivwahrscheinlichkeit) Isotretinoin (intensive Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen nötig; cave: teratogen) Kontrazeptivum mit antiandrogener Wirkung
Beim Ursprung ansetzen
Isotretinoin bezeichnet die Expertin als „hervorragendes Medikament, ohne das wir in der Dermatologie schwer auskommen würden.“ Als einzige Substanz setze es beim Ursprung der Akne an: beim deutlich vergrößerten Talgdrüsenapparat. Der Nachteil: die Nebenwirkungen – Isotretinoin ist teratogen. Wird eine junge Frau unter einer Isotretinoin-Therapie schwanger, kommt es in bis zu 80 Prozent der Fälle zu einem Abort. Bei weiteren 20 Prozent ist mit kindlichen Missbildungen zu rechnen. Grund dafür ist die Hochregulation des Tumor-Suppressor-Gens p53.Daher ist die Schwangerschaftsverhütung laut Bauer bereits ein Monat vor Beginn der Therapie bis ein Monat nach der Therapie abzusichern und mit dem behandelnden Gynäkologen abzugleichen.
Worüber Patienten beziehungsweise bei Minderjährigen deren Eltern weiters vor einer Therapie mit Isotretinoin informiert werden müssten: „Isotretinoin dockt an Muskelenzyme an und kann die CK-Werte massiv in die Höhe treiben.“ Das kann besonders bei sportlichen Jugendlichen eine Rolle spielen und muss mittels Laborkontrollen beobachtet werden. Isotretinoin kann auch an den Retinoidrezeptoren/Serotoninrezeptoren wirken, wodurch sich eine bestehende Depression verschlechtern kann.
Liegt eine Antibiotika-Intoleranz vor, kann bei hochgradiger Akne ein Kontrazeptivum mit antiandrogener Wirkung zum Einsatz kommen. Bauer würde sie nicht primär gegen Akne verschreiben, sondern „nur dann, wenn ohnehin auch der Wunsch nach Kontrazeption vorhanden ist.“ Denn Fakt sei, dass die „Pille“ laut Studien das gleiche klinische Ergebnis wie eine Antibiotikatherapie in puncto Akne bringe – allerdings erst nach sechs Monaten Einnahme. Während das Antibiotikum symptomatisch eingesetzt wird, wirkt die Pille antiandrogen gegen die am Talgdrüsenapparat wirkenden Androgene.
In Einzelfällen hat Valencak schon Spironolacton verschrieben, ein Diuretikum mit guter antiandrogener Wirkung. Dieses komme vor allem in den USA zum Einsatz. Dort werde laut Valencak im Übrigen mit Isotretinoin viel zurückhaltender als in Europa umgegangen. (JF)
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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 /25.05.2023
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