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Cannabis auf Rezept? Was Sie über die Verordnung wissen müssen

Lesezeit: 3 Minuten Quelle: Praxiswelt

Schon seit 2017 können Patienten und Patientinnen mit schwerwiegenden Erkrankungen Cannabis auf Rezept erhalten. Grundsätzlich kann jeder Haus- oder Facharzt getrocknete Cannabisblüten und -extrakte sowie Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon verordnen – auch die Kassen übernehmen in der Regel die Kosten. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen und was es bei der Verordnung auf Rezept zu beachten gibt.

Welche Anspruchsvoraussetzungen müssen erfüllt sein?
Den Anspruch auf die Versorgung ist im Sozialgesetzbuch (SGB) § 31 Absatz 6 geregelt.
Demnach kann Cannabis nur dann verordnet werden, wenn keine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung steht oder wenn diese im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des Arztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Patienten nicht angewendet werden kann. Zweitens muss eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf oder schwerwiegende Symptome bestehen.

Was kann mit Cannabis behandelt werden?
Cannabis darf nur bei schwerwiegenden Erkrankungen verordnet werden. Hier kommt es auf die durch Schmerzen und Funktionsstörungen ausgelösten Beeinträchtigungen an, etwa bei der Erwerbsfähigkeit, der Fähigkeit zur Selbstversorgung und der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Das ist bei folgenden Erkrankungen in der Regel der Fall:

  • chronische starken Schmerzen, zum Beispiel in der Krebstherapie oder bei Multipler Sklerose
  • Epilepsien und Spastiken
  • Magersucht (Anorexie) oder zur Appetitanregung bei einer AIDS-Erkrankung
  • Übelkeit und Erbrechen während einer Chemotherapie


Cannabis kann auch zum Einsatz kommen, wenn mehrere Erkrankungen für sich genommen nicht schwerwiegend sind, aber in der Kombination schon.
Als verschreibender Arzt oder Ärztin müssen Sie sich im zweiten Schritt die Frage stellen: Sind alle anderen Behandlungsoptionen ausgeschöpft? Falls ja, kann Cannabis nach sorgfältiger Risikoabschätzung verschrieben werden.

Nebenwirkungen berücksichtigen
Die Risikoabwägung sollte die kurz- und langfristig möglichen Nebenwirkungen einbeziehen. Zu den akuten Cannabis-Nebenwirkungen zählen Depressionen, Angstgefühle oder Panikattacken sowie die Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Auch Blutdruckabfall oder Herzrasen (Tachykardie) können ausgelöst werden. Als mögliche langfristige Nebenwirkungen ist eine schizophrene Psychose möglich, auch eine psychische Abhängigkeit kann auftreten, da ein höher dosierter Cannabiskonsum über einen längeren Zeitraum Suchtpotenzial hat.

Die Krankenkasse muss die Verordnung genehmigen
Der Patient oder die Patientin muss vor der erstmaligen Verordnung eines Cannabispräparats die Genehmigung der Krankenkasse einholen. Wenn die Verordnung einmal genehmigt ist, können der Arzt oder die Ärztin Dosierungen anpassen oder den Wechsel von Blüten zu anderen getrockneten Blüten oder von Cannabisextrakten in standardisierter Qualität zu entsprechenden anderen Cannabisextrakten verordnen, ohne dass eine erneute Genehmigung nötig ist. Ein Antrag darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgelehnt werden und wird in der Regel innerhalb einer Frist von drei Wochen bearbeitet. Wenn eine gutachterliche Stellungnahme nötig ist, beträgt die gewöhnliche Frist fünf statt drei Wochen. Eine Begutachtung erfolgt dabei durch den Medizinischen Dienst.
Schneller muss es in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung gehen. Wird Cannabis in diesem Rahmen verordnet, haben Krankenkassen die Pflicht, innerhalb von drei Tagen zu entscheiden. Gleiches gilt auch für die ambulante Fortführung einer stationär begonnenen Cannabistherapie.

Verordnung auf Betäubungsmittelrezept – diese Angaben sind Pflicht:
Die Verordnung von getrockneten Cannabisblüten und -Extrakten sowie Arzneimittel mit Dronabinol und Nabilon müssen auf einem Betäubungsmittelrezept verordnet werden. Die Angaben, die auf diesem Rezept gemacht werden müssen, schreibt § 9 der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) vor:

  • Name, Vorname, Anschrift des Patienten
  • Ausstellungsdatum
  • Arzneimittelbezeichnung. Wenn das Arzneimittel durch diese Bezeichnung nicht eindeutig bestimmt ist, jeweils zusätzlich Bezeichnung und Gewichtsmenge des enthaltenen Betäubungsmittels je Packungseinheit, bei abgeteilten Zubereitungen je abgeteilter Form, und die Darreichungsform
  • Die Angabe „Cannabisblüten“ oder „Cannabis flos“ als Arzneimittelbezeichnung für Cannabisblüten ist nicht ausreichend, da es für die medizinische Anwendung verschiedene Sorten gibt. Daher muss die Angabe „Cannabisblüten“ durch die Sorte spezifiziert sein. Die Angabe der Sorte macht die Verschreibung eindeutig.
  • Menge des verschriebenen Arzneimittels in Gramm oder Milliliter, Stückzahl der abgeteilten Form
  • Gebrauchsanweisung, mit Einzel- und Tagesgabe oder im Falle, dass dem Patienten eine schriftliche Gebrauchsanweisung übergeben wurde, ein Hinweis auf diese schriftliche Gebrauchsanweisung.
  • Eindeutig definiert: 3x täglich 0,2 ml o. ä.
  • Nicht eindeutig definiert: bei Bedarf 100 mg
  • Sollte der Arzt „Gemäß schriftlicher Anweisung“ verordnen, muss die schriftliche Anweisung der Apotheke bekannt sein. Ist diese nicht bekannt, muss die Verordnung als „nicht plausibel“ in der Apotheke gewertet werden und das Rezepturarzneimittel darf nicht hergestellt werden, bis der Sachverhalt geklärt ist. Nicht plausible, also unklare Verordnungen, dürfen nicht beliefert werden. Aus Gründen der Praktikabilität empfiehlt es sich daher, die Gebrauchsanweisung auf dem Betäubungsmittelrezept zu vermerken.
  • Bei Überschreitung der Höchstverschreibungsmenge der Buchstabe „A“, im Falle einer Notverschreibung der Buchstabe „N“
    Hinweis: Die Höchstmenge Cannabisblüten, die der Arzt innerhalb von 30 Tagen für einen Patienten verordnen darf, beträgt 100.000 mg (100 g).
  • Name des verschreibenden Arztes, seine Berufsbezeichnung, Anschrift einschließlich Telefonnummer
  • Unterschrift des verschreibenden Arztes, im Vertretungsfall darüber hinaus der Vermerk „i. V.“


Cannabissubstanzen, Rezepturen und Vorschriften
Medizinischer Hanf ist in Deutschland als Arzneimittel nur dann zugelassen, wenn er exakt dosierbar ist, um die psychoaktive THC-Wirkung und die Suchtgefahr einzugrenzen. Demnach kommen Fertigarzneimittel, Hanfextrakte dosierbar in Tropfenform oder getrocknete Cannabisblüten in Frage.
Für die Verordnung von Cannabisblüten und Cannabinoid-haltiger Zubereitungen hat die Kommission Deutscher Arzneimittel-Codex/Neues Rezeptur-Formularium (DAC/NRF) bislang neun Rezepturformeln entwickelt:

  • Cannabisblüten zur Inhalation nach Verdampfung
  • Cannabisblüten in Einzeldosen zur Inhalation nach Verdampfung
  • Cannabisblüten zur Teezubereitung
  • Cannabisblüten in Einzeldosen zur Teezubereitung
  • Ölige Cannabisölharz-Lösung 25 mg/ml Dronabinol
  • Ethanolische Dronabinol-Lösung 10 mg/ml zur Inhalation
  • Dronabinol-Kapseln 2,5 mg / 5 mg / 10 mg
  • Ölige Dronabinol-Tropfen 25 mg/ml
  • Ölige Cannabidiol-Lösung 50 mg/ml

 

Anwendungsmöglichkeiten für Cannabisblüten
Aufgrund der unterschiedlichen Wirkstoffkonzentration in einzelnen Blütenteilen sollen Cannabisblüten hinsichtlich der Dosiergenauigkeit vor der Anwendung zu zerkleinert und gesiebt werden. Das NRF (Neues Rezept-Formularium) sieht hier beispielsweise das Mahlen in einer Kräutermühle und Siebung durch ein 2-mm-Sieb vor.
Cannabisblüten können inhaliert oder oral aufgenommen werden. Damit eine Wirkung erzielt wird, müssen die inaktiven Säuren von Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) durch Erhitzen decarboxyliert und damit in die pharmakologisch wirksame Form überführt werden.

Inhalation / Rauchen von Cannabisblüten
Beim Rauchen von Cannabisblüten (zusammen mit Tabak) entstehen schädliche Verbrennungsprodukte. Das ist bei der Inhalation mittels eines Verdampfers (Vaporisator) nicht der Fall. Sie sind bislang nicht als Hilfsmittel gelistet. Patienten und Patientinnen müssen einen Einzelfallantrag bei der Krankenkasse stellen.
Vaporisatoren erhitzen Cannabisblüten auf 180–210 °C, wobei sich freies THC und CBD bilden. Die systemische Bioverfügbarkeit beträgt bei korrekter Applikation 29–40 %.

Cannabis als Teezubereitung
Für die Teezubereitung werden Cannabisblüten in kochendes Wasser gegeben und 15 Minuten gesiedet. Aufgrund der schlechten Wasserlöslichkeit beträgt die Bioverfügbarkeit an THC nur ca. 5 %. Die Ausbeute lässt sich durch längere Kochzeit vergrößern, bei 30 Minuten erhöht sie sich um das Eineinhalbfache. Der standardmäßige Ansatz beträgt 1 g Droge pro Liter Wasser.

 


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