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Interview: Step-up Strategie bei Refluxbeschwerden in der Schwangerschaft (Prof. Madisch)

Lesezeit: 2 Minuten Quelle: Reckitt

Update der S2k-Leitlinie: Step-up Strategie bei Refluxbeschwerden in der Schwangerschaft
Eine besondere Patientengruppe bei Reflux sind Schwangere. Prof. Dr. med. habil. Ahmed Madisch, Gastroenterologe im Centrum Gastroenterologie Bethanien, Frankfurt, und Mitautor der neuen Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), betont, wie wichtig die Vorsicht beim Einsatz von Medikamenten bei Schwangeren sei. Neben Allgemeinmaßnahmen sollten als nächster Schritt Alginate oder Antazida zum Einsatz kommen. Die Protonenpumpeninhibitoren (PPI) sind nun an die letzte Stelle gerückt.

Interviewer (I): Eine besondere Patientengruppe bei Reflux sind Schwangere. Was empfiehlt hier die neue S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis?

Prof. Madisch (M): Bei der Behandlung von Schwangeren sind wir in der Medizin generell zurückhaltend mit Medikamenten, die von der Blutbahn aufgenommen werden und systemisch im ganzen Körper wirken. Daher halten wir bei Refluxbeschwerden in der Schwangerschaft ein Step-up Management für angemessen. Genauso wie bei der Erstbehandlung typischer Refluxbeschwerden ohne sogenannte Alarmsignale – das betrifft ca. 90 Prozent der Reflux-Patienten, die wahrscheinlich keine Komplikationen entwickeln werden – beginnen wir zunächst mit Allgemeinmaßnahmen. Maßnahmen wie das Schlafen mit erhöhtem Kopfteil oder das Meiden von Ernährungstriggern sind hier sehr hilfreich. Der erste Step ist anschließend jedoch nicht die Einnahme eines PPIs – dieser Schritt wird erst an letzter Stelle berücksichtigt –, sondern es werden Alginate und Antazida an erster Stelle empfohlen. Meistens funktioniert die alternative Medikation dann so gut, dass die Therapie mit einem PPI gar nicht erst erforderlich wird. Und da die Alginate sowie die Antazida im Magen-Darm-Trakt bleiben, sind hier auch keine Beeinträchtigungen des Fötus zu befürchten.


I: Bei der gastroösophagealen Refluxkrankheit handelt es sich im Grunde genommen um ein mechanisches Problem – was bedeutet das für die Behandlung von Schwangeren?


M: Bei Schwangeren haben wir einen besonderen Ansatz: Zum einen kann durch die Schwangerschaft ein Reflux überhaupt erst entstehen durch den erhöhten intraabdominellen Druck, zum anderen können bereits bestehende Refluxbeschwerden durch die Schwangerschaft verstärkt werden. Die Refluxkrankheit basiert darauf, dass in bestimmten Situationen vermehrt Säure aus dem Magen in die Speiseröhre zurückfließt und dies Symptome und/oder Komplikationen verursacht. Die Beschwerden beruhen somit nicht auf einem Zuviel an Säure, die Säure befindet sich nur am falschen Platz. Ein PPI nimmt zwar die Säure aus dem Refluat, aber der Reflux bleibt: Es fließt weiterhin etwas zurück. Daher kann es sinnvoll sein, lokal wirksame Medikamente wie beispielsweise Alginate als Behandlungsalternativen in Betracht zu ziehen.


I: In dem neuen Leitlinien-Update wird der Begriff der „Acid Pocket“ erstmalig erwähnt. Was verbirgt sich hinter diesem Phänomen?


M: Bei der Acid Pocket – der Säure-Tasche – handelt es sich um ein physiologisches Thema: Wenn wir etwas essen, neutralisiert die Nahrung die Säure, und der pH-Wert im Magen steigt auf 7. Aber es entsteht dann in Richtung Fundus ein nachträufelnder Säure-See von 50 bis 70 ml, was relativ viel ist. Dieser Vorgang passiert bei jedem von uns und ist somit physiologisch und nicht krankhaft. Das Problem ist jedoch, dass bei Patienten mit Reflux diese Säure dann hochschwappt und Beschwerden verursacht. Hier setzen die Alginate an: Alginate bilden über verschiedene Mechanismen ein Gelkissen und schwimmen auf dem „Säure-See“. So können sie rein mechanistisch verhindern, dass die Säure aus dem Magen in die Speisesäure zurückfließt. Somit können mit Alginaten Refluxbeschwerden kontrolliert werden, ohne dass die zusätzliche Einnahme eines PPIs generell erforderlich wäre.

 

Sie interessieren sich für eine zweite Meinung zum Thema Reflux in der Schwangerschaft? Hier finden Sie das Interview mit Prof. Joachim Labenz.

Weitere Stellungnahmen von Prof. Labenz und Prof. Madisch zu den Neuerungen in der S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) finden Sie hier:

Zum Thema Behandlung persistierender Refluxsymptome trotz PPI-Einnahme Prof. Labenz | Prof. Madisch

Zum Thema Erstbehandlung typischer Refluxsymptome ohne Alarmsignale Prof. Labenz | Prof. Madisch

 


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