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Interview: Behandlung persistierender Refluxsymptome trotz PPI-Einnahme (Prof. Madisch)

Lesezeit: 3 Minuten Quelle: Reckitt

Behandlung persistierender Refluxsymptome trotz PPI-Einnahme
Auch unter der Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) kann ein persistierender Reflux vorliegen. Die neu erschienene S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) zeigt einmal mehr, wie wichtig allgemeine Maßnahmen in der Therapie der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) sind. Prof. Dr. med. habil. Ahmed Madisch, Gastroenterologe im Centrum Gastroenterologie Bethanien, Frankfurt, und Mitautor der Leitlinie, kritisiert u. a. den breiten und langfristigen Einsatz von PPI, was bei vielen Refluxpatienten nicht erforderlich ist.

Interviewer (I): Wir warten seit mehreren Jahren auf das neue Update der S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis – nun ist es endlich so weit: Was sind in Ihren Augen die wichtigsten Neuerungen?

Prof. Madisch (M): Was die Refluxkrankheit anbelangt, haben wir zwei wesentliche Änderungen, die einen Paradigmenwechsel begründen: Erstens haben wir die Wichtigkeit von Allgemeinmaßnahmen noch einmal betont und verstärkt. Hierzu zählen beispielsweise eine Gewichtsreduktion, das Schlafen in Linksseitenlage, die Erhöhung des Kopfendes, aber auch Zwerchfelltraining. Der zweite Punkt ist, dass wir die Patienten kategorisieren in eine Gruppe, deren Verlauf ohne Komplikationen ist, und in eine Gruppe, deren Verlauf durchaus komplikationsträchtig ist. Der Anteil der Patienten, die keine Komplikationen im Laufe ihrer Erkrankung bekommen, macht immerhin 90 Prozent der Patienten und somit die größte Gruppe aus. Bei denjenigen Patienten, die kein Risiko haben für einen komplizierten Verlauf, wollen wir den Einsatz von PPI begrenzen – zum einen in der Dauer der Therapie, zum anderen sollen alternative Therapien zur Symptomkontrolle wie beispielsweise Alginate, Antazida und H2-Rezeptor-Antagonisten berücksichtigt werden.

I: Es gibt Refluxbeschwerden und es gibt die Refluxkrankheit. Was bedeutet das für die Therapie?

M: Zu Beginn der Behandlung ist eine rein symptomatische Therapie der Refluxbeschwerden meist ausreichend. Eine weiterführende Diagnostik kann jedoch erforderlich werden, wenn beispielsweise die Standard-Therapie mit einem PPI nicht funktioniert. Dann müssen wir hinterfragen, ob die Diagnose überhaupt stimmt. Sofern die Beschwerden wirksam kontrolliert werden können und keine Komplikationen auftreten, ist es jedoch im Grunde genommen unerheblich, ob eine Refluxkrankheit vorliegt. Wichtig ist allerdings, die Behandlung zu einem angemessenen Zeitpunkt zu beenden, eine Dauertherapie wird ausdrücklich nicht empfohlen. Hier ist unter anderem das Ausschleichen empfehlenswert. Insgesamt wollen wir hiermit auch dem breiten Einsatz von PPI entgegentreten. Zwar haben sich PPI als sicher erwiesen, aber ein zu häufiger Einsatz, teilweise auch außerhalb der Indikation, wie er hier in Deutschland betrieben wird, widerspricht der Best Practice und sollte daher reduziert werden. Diesen Paradigmenwechsel betonen wir auch ausdrücklich in der Leitlinie: Weg vom PPI für jeden für immer – denn das war so ein bisschen der Tenor der letzten beiden Leitlinien, der sich jedoch in den letzten zehn Jahren relativiert hat.

I: In dem neuen Leitlinien-Update wird der Begriff der „Acid Pocket“ erstmalig erwähnt: Was verbirgt sich hinter diesem Phänomen?

M: Wenn wir etwas essen, neutralisiert die Nahrung die Säure, und der pH-Wert im Magen steigt auf 7. Aber es entsteht dann, und das dauert gar nicht lange, in Richtung Fundus eine nachträufelnde Säure – ein „Säure-See“ – von 50 bis 70 ml, die bei Patienten mit Reflux dann hochschwappt und Beschwerden verursacht. Und diese sogenannte Acid Pocket ist eine mögliche Ursache dafür, dass es trotz der Einnahme eines PPI zu Säuredurchbruchssymptomen kommen kann. Hier setzen die Alginate an: Die Alginate bilden über verschiedene Mechanismen ein Gelkissen und schwimmen auf dem Säure-See. So können sie rein mechanistisch verhindern, dass die Säure aus dem Magen in die Speisesäure zurückfließt. Damit verhindert man zum einen Säuredurchbrüche bei denjenigen Patienten, die bereits einen PPI einnehmen und mit ihrer Behandlung eigentlich zufrieden sind, aber nach dem Essen immer mal wieder Sodbrennen haben. Zum anderen können mit Alginaten grundsätzlich auch die Refluxbeschwerden kontrolliert werden, ohne dass die zusätzliche Einnahme eines PPIs generell erforderlich wäre.


Sie interessieren sich für eine zweite Meinung zum Thema persistierende Refluxsymptome trotz PPI-Einnahme? Hier finden Sie das Interview mit Prof. Joachim Labenz.

Weitere Stellungnahmen von Prof. Labenz und Prof. Madisch zu den Neuerungen in der S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) finden Sie hier:

Zum Thema Reflux in der Schwangerschaft Prof. Labenz | Prof. Madisch

Zum Thema Erstbehandlung typischer Refluxsymptome ohne Alarmsignale Prof. Labenz | Prof. Madisch


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