Fachartikel

Interview: Behandlung persistierender Refluxsymptome trotz PPI-Einnahme (Prof. Labenz)

Lesezeit: 3 Minuten Quelle: Reckitt

Behandlung persistierender Refluxsymptome trotz PPI-Einnahme
Auch unter Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) kann ein persistierender Reflux vorliegen. Prof. Dr. med. Joachim Labenz, Gastroenterologe im Diakonie-Klinikum Siegen und Mitautor der neu erschienenen S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), beschreibt die Neuerungen der Leitlinie in Bezug auf den Einsatz von PPI und der Problematik, dass nicht alle ursächlichen Probleme einer gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) durch PPI gelöst werden können.

Interviewer (I): Seit dem letzten Update der Leitlinie sind 8 Jahre vergangen. Was sind aus Ihrer Sicht die entscheidenden Neuerungen?

Prof. Labenz (L): In der neuen Leitlinie liegt ein viel stärkeres Gewicht auf Allgemeinmaßnahmen. Maßnahmen wie eine Gewichtsabnahme wurden zwar schon früher, aber eher am Rande, empfohlen und standen somit nicht im Mittelpunkt der Therapie. Das hat sich nun geändert: Aktuelle Studien haben nahezu überwältigende Ergebnisse dazu geliefert, wie viel Allgemeinmaßnahmen tatsächlich bewirken – teilweise mehr als eine medikamentöse Behandlung. Deshalb werden eine Gewichtsreduktion, Nichtrauchen oder eine Ernährungsumstellung mit dem neuen Leitlinien-Update nun an erster Stelle empfohlen. Der Stellenwert von PPI ist hingegen eher geringer geworden. Dies ist zum einen in der Diskussion um die PPI begründet, aber auch in der Erkenntnis, dass PPI nicht alle der mit GERD assoziierten Probleme lösen, weil sie deren Ursache nicht beheben können. In diesem Zusammenhang erfolgte eine Aufwertung anderer Präparate, die in der alten Leitlinie gar nicht berücksichtigt wurden – das betrifft vor allem Alginate. Diese gibt es zwar schon lange, aber es liegen nun wesentlich neue Erkenntnisse vor: Aktuelle Studien belegen, dass Alginate bei Refluxbeschwerden sehr gut wirksam sind.


I: In der Leitlinie wird erstmals das Phänomen der „Acid Pocket“ beschrieben. Welche Neuerung verbirgt sich hinter diesem Begriff?

L: Das Phänomen wurde erstmals in den 2000er Jahren beschrieben. Wenn Sie sich im nüchternen Zustand befinden, ist Ihr Magensaft normalerweise sauer (pH-Wert 1-2). Wenn Sie etwas essen oder trinken, neutralisiert das den Magensaft und der pH-Wert steigt auf etwa 5 an. Wenige Minuten danach bildet sich unterhalb des Mageneingangs erneut Säure. Dies hat man als „Acid Pocket“ bezeichnet. Hier bilden sich etwa 50-70 ml Säure und wenn Sie an GERD leiden, ist es genau diese Säure, die in die Speiseröhre zurückläuft. Hierdurch werden Refluxbeschwerden bei oder nach dem Essen hervorgerufen. Diese Acid Pocket können Sie mit PPI in normaler Dosierung auch nicht verhindern. Es gibt nur einen etablierten Weg, wie die Acid Pocket eliminiert werden kann: mit Alginaten. Wenn Patienten insbesondere nach dem Essen unter Sodbrennen leiden, sind Alginate die ideale Form der Therapie – hiermit kann die Acid Pocket innerhalb weniger Minuten neutralisiert werden.

I: Bei PPI handelt es sich um eine systemische Therapie – dabei liegt bei GERD ein rein mechanisches Problem vor. Welche Schlüsse können hieraus gezogen werden?

L: PPI hemmen die Säureproduktion. Reflux-Patienten haben aber nicht zu viel Säure, sie haben nur Säure am falschen Platz. Hierbei handelt es sich um ein mechanisches Problem: Die Verbindung zwischen Speiseröhre und Magen schließt nicht richtig. Wird der Säuregehalt des Mageninhalts reduziert, hilft das oftmals gegen Beschwerden oder Entzündungen. Hierin besteht jedoch keine kausale Therapie. Außerdem handelt es sich bei GERD in den allermeisten Fällen um eine chronische Erkrankung. Zwar können durch eine medikamentöse Behandlung Symptome kontrolliert und Entzündungen abgebaut werden, aber die zugrundeliegende Krankheit verschwindet nie. Da chronische Erkrankungen oftmals schubweise verlaufen – hier spielen übrigens auch persönliche Faktoren wie das Gewicht, das Rauchen oder auch Stress eine Rolle – besteht die besondere Herausforderung darin, die Symptome von Patienten langfristig zu kontrollieren. Hierbei soll eine Überbehandlung jedoch ausdrücklich vermieden werden. Sofern eine PPI-Behandlung erfolgt, sollte diese in jedem Fall zeitlich begrenzt werden. Außerdem sollten lokal wirksame Alternativen wie beispielsweise Alginate in Betracht gezogen werden.

 

Sie interessieren sich für eine zweite Meinung zum Thema persistierende Refluxsymptome trotz PPI-Einnahme? Hier finden Sie das Interview mit Prof. Ahmed Madisch.

Weitere Stellungnahmen von Prof. Labenz und Prof. Madisch zu den Neuerungen in der S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) finden Sie hier:

Zum Thema Reflux in der Schwangerschaft Prof. Labenz | Prof. Madisch

Zum Thema Erstbehandlung typischer Refluxsymptome ohne Alarmsignale Prof. Labenz | Prof. Madisch


Bildquellen & Copyright

19086


Cookie